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Image courtesy of APFEL (London) 

Rotterdam ermittelt

Mord als schöne Kunst: Die üblichen Verdächtigen probieren in einer Ausstellung im Witte de With das fast perfekte Verbrechen

Was haben ein abstrakter Expressionist und ein Mörder gemeinsam? Beide arbeiten performativ. Beide kommen nicht ohne eine gewisse Kühnheit der Gebärden aus. Und am Ende des Akts gleichen sich ihre Arbeitsplätze: all over. So ließe sich Aslı Çavuşoğlus Film „Murder in Three Acts von 2012 deuten. Im Stil einer Vorabendserie ermittelt die 1982 geborene türkische Künstlerin in kurzen Episoden, wie sich Kunst und Verbrechen ähneln. Die Ausstellung gerät zum Tatort, Kunstwerke dienen als Mordwerkzeuge, Experten müssen herangezogen werden. Gedreht wurde die wunderbare Arbeit auf der Londoner Messe Frieze.

Auf Çavuşoğlus Spur hätte Cristina Ricupero vielleicht bleiben sollen. Dann wäre ihre Rotterdamer Schau „The Crime was Almost Perfect“ vielleicht eine geworden, für die man sterben möchte. Schönheit und Verbrechen, der perfekte Mord: Die Assoziationen des Titels liegen auf der Hand. Für ihre Schau will sich die Pariser Kuratorin gar an Thomas De Quinceys Aufsatz „Der Mord als schöne Kunst betrachtet“ aus dem Jahr 1827 orientiert haben. Am Ende hat sie aber alle üblichen Verdächtigen, von Pierre Huyghe bis Raymond Pettibon, verhaftet. Auch wenn sich nur ein winziger Blutspritzer auf dem Werk findet.

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Jim Shaw, Zombie Painting #4, 2007 Courtesy the artist and Praz-Delavallade, Paris

Ricupero will nicht mit billigen Gruseleffekten locken. Auch wenn Monica Bonvicinis mit Pech überzogener Galgenstrick „That Hangs“ ganz knapp daran vorbeischrammt. Doch die kuratorische Idee vom „dubiosen Charme der Gewalt“ erschließt sich schwer. Da hilft es auch nicht, dass Eva Grubinger das Witte de With mit einer schwarzen Fahne über dem Eingang in die Botschaft von Eitopomar verwandelt hat – so heißt das utopische Königreich von Dr. Mabuse. Das weite Feld des Verbrechens, dem hier Raum gegeben ist, ufert mit über 70 Werken von mehr als 40 Künstlern ziemlich aus. Mal stößt man in der Schau auf Semi-Pulp: Auf einem Bild von Matias Faldbakken ist der Serienmörder John Wayne Gacy mit Clownsmaske zu sehen. Mal wird man auf eher schlichte Art über Kriminalpsychologie aufgeklärt: Bik Van der Pols Neonbuchstaben-Installation „Untitled (Gold)“ von 2009, erklärt der Kurzführer, beziehe sich auf „eine wichtige Motivation für manch’ habgieriges Verbrechen“. Dazu kommt ein Spurensicherungskoffer aus dem Grazer Kriminalmuseum inklusive eines „Totenlöffels“.

Durch diese fokuslose Indiziensammlung stelzt der Besucher wie beim Termin in der Gerichtsmedizin: Mancher aufgebahrte Korpus lässt sich erst mittels der Legende am großen Zeh identifizieren. Selten zielt einer so genau auf die ästhetische DNA des Verbrechens wie Kader Attia. In riesigen Regalen präsentiert er Bilder aus Zeitungen und Comics, in denen nicht westliche Menschen wie Monster dargestellt werden. Das Böse, so die Botschaft von Attias neuestem Werk, ist eine Konstruktion.

Ingo Arend, Monopol 03/2014

 

Crime-680

Image courtesy of APFEL (London)

 

AUSSTELLUNG  bis 27. April 2014

The Crime Was Almost Perfect

Witte de With, Center for Contemporary Art, Rotterdam, 

Website: wdw.nl