Regisseur Daniele Luchetti hat 1991 mit „Der Taschenträger“ einen der wichtigsten italienischen Spielfilme der 1990er Jahre gedreht – sozial genau, psychologisch ausgefeilt, dabei sehr unterhaltsam. Der bekennende Truffaut-Verehrer hat seitdem nicht viele Kinofilme realisiert. Er gehört nicht zu denen, die beim großen Publikum einen Ruf wie Donnerhall haben. Dabei, das zeigt auch dieser schon 2013 gedrehte Film hat er alle Ehren – und alles Interesse – verdient.
Ein Familienporträt wird entworfen. Es mutet sehr persönlich an. Kein Wunder. Luchetti hat die eigene Familie zum Vorbild genommen. Da ist Vater Guido (Kim Rossi Stuart), Maler mit Hoffnung auf den ganz großen Durchbruch. Da ist die Mutter Serena (Micaela Ramazzotti), die alles für die Ihren tut – und für sich viel zu wenig, da sind die egoistischen Söhne Dario (Samuel Garofalo) und Paolo (Niccolò Calvagna). Die frühen 1970er Jahre mit ihrer Lust an sexueller Freizügigkeit und dem Streben nach selbstbestimmter kultureller Identität bestimmen den Alltag. Der ist mal umwölkt, dann wieder heiter, nie langweilig …
Dario, dem älteren Bruder, kommt die Rolle des Erzählers zu. Sein jugendlicher Übermut gibt oft den Ton an. Doch er ist nicht die Hauptfigur. Liebevoll wird vor allem das Leben der Eltern betrachtet. Das besonders aufregend und spannend wird, als sich die Mutter zur Galeristin Heike (großartig in einer kleinen Rolle: Martina Gedeck) hingezogen fühlt. Einmal allerdings hat Dario einen großen dramatischen Moment – und man fürchtet als Zuschauer, dass der Film nun seine Leichtfüßigkeit, seinen Charme, den sanften Humor verliert. Und dann staunt man: Luchetti kriegt die Kurve. Sehr clever, sehr unterhaltsam. Und mit einem schönen Anflug von Nachdenklichkeit: sanft sinniert Luchetti darüber, dass es fast niemandem vergönnt ist, im Moment des Erlebens zu erkennen, dass er glücklich ist.
Peter Claus
Bilder: © Camino Filmverleih
Anni Felicia – Barfuß durchs Leben, von Daniele Luchetti (Italien / Frankreich 2013)
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