Das Regie-Duo Jonathan Dayton und Valerie Faris hat 2006 mit der schrillen Familienkomödie „Little Miss Sunshine“ einen fulminanten Welterfolg hingelegt. Da ist die Erwartung an ihren neuen Film, mit dem sie sich reichlich Zeit gelassen haben, ziemlich hoch. Klugerweise wird diese Erwartung von vornherein gedämpft. Denn von den ersten Szenen an ist klar, dass hier keine Neuauflage oder Fortsetzung des ersten großen Wurfs geboten wird.
Die Komödie geht mit augenzwinkernder Selbstverständlichkeit davon aus, dass Unmögliches möglich sein kann. Heißt hier: Star-Schriftsteller Calvin Weir-Fields (Paul Dano) überwindet seine Schreib-Blockade, indem eine von ihm erfundene Figur, nämlich Ruby Sparks (Zoe Kazan), lebendig wird und seinen Alltag und insbesondere seinen Hormonspiegel auf Trab bringt. Romantik und Wahn, Liebe und Vernunft geraten in einen Clinch von Katastrophen. Lange ist nicht klar, ob Calvin nicht irgendwann in der Psychiatrie landen muss und die Geschichte damit ein schreckliches Ende nimmt.
Neben der verblüffenden Idee, eine fiktive Figur in die Realität zu holen (was es schon gelegentlich gab), ziehen die Schauspieler in ihren Bann und dazu das Vermögen des Autoren-und-Regie-Teams, im Rahmen des Komödiantischen auch wirklich Schockierendes zu verhandeln. So gibt es beispielsweise im letzten Drittel eine Szene, in der Calvin sich gleichsam zum Gott über Ruby erhebt und sie zur Marionette degradiert. Innerhalb weniger Momente wird hier grundsätzlich und mit elektrisierender Intensität über Moral und Ethik nachgedacht. Ist das im ersten Augenblick noch lustig und verleitet die Zuschauer zu kollektiven Lachsalven, stellt sich rasch Beklemmung ein und Schweigen im Kinosaal. Es wird nämlich sehr klar, wie brutal das Miteinander von zwei Menschen sein kann.
Zoe Kazan, eine Enkelin von Regielegende Elia Kazan („Endstation Sehnsucht“/ „Die Faust im Nacken“/ „Jenseits von Eden“) und Tochter von Drehbuchautor Nicholas Kazan („Die Affäre der Sunny von B.“) hat das Drehbuch geschrieben, von Anfang an darauf erpicht, die Ruby selbst zu spielen. Ein Glücksfall! Um sie herum agiert ein tolles Ensemble, ihr Lebensgefährte Paul Dano, der schon in „Little Miss Sunshine“ brillierte, und die Stars Annette Bening, Antonio Banderas und Elliott Gould in herrlich schrägen Gastrollen. Herausragend: der in den USA vor allem im TV arbeitende, im Kino in Nora Ephrons Meryl-Streep-Vehikel „Julie und Julia“ aufgefallene, Chris Messina. Er spielt den Bruder von Calvin, einen leicht blöden aber liebenswerten Schönling, der einfach nicht glauben kann, dass eine Romanfigur plötzlich in der Küche steht und kocht. Seine Figur wird für den nicht minder ungläubigen Zuschauer zu so etwas wie ein Begleiter durch die Welt der Phantasie und bietet, wenn die Handlung gelegentlich etwas zu irre abdriftet, festen Halt.
Peter Claus
Ruby Sparks – Meine fabelhafte Freundin, von Alexander Payne (USA 2012)
Bilder: © Twentieth Century Fox
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