Pedro Almodóvar und die Frauen – das ist nicht neu
In Meisterwerken wie „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“, „Alles über meine Mutter“ und „Sprich mit ihr“ hat der Spanier der Kraft des nur in bösen Männerphantasien schwachen Geschlechts gehuldigt. Eine neue Variation offeriert nun „Volver“.
Ebenso wenig neu ist für den renommierten Autor und Regisseur eine vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Sterben und dem Tod. Doch wie Beides diesmal geschieht, dürfte selbst eingefleischte Almodóvar-Fans überraschen.
Die Story klingt in knappen Stichworten nach typisch Almodóvarscher Überdrehtheit: Raimunda (Penélope Cruz) und Tochter Paula (Yohana Cobo) haben eine Leiche im Kühlschrank. Entsorgung kompliziert. Eine andere Leiche ist plötzlich quicklebendig: Raimundas jüngst verstorbene Mutter (Carmen Maura) spukt als putzmunterer Geist herum. Zu diesen Problemen kommen unbezahlte Rechnungen aus der Vergangenheit, eine lebensbedrohliche Krankheit der ewig kiffenden Tante Augustina (Blanca Portillo), verschüttete Gefühle bei Raimundas Schwester Sole (Lola Dueñas) und ein verwaistes Restaurant, dass sich nicht nur bestens als Zwischenlager für den unfreiwillig abgetretenen Gatten Raimundas und Vaters von Paula eignet. Nur das von allen erhoffte Glück macht sich rar. – So „verrückt“ sie in dieser Kürze erscheint, präsentiert Almodóvar die Geschichte nicht. Statt schrillem Witz dominiert Zärtlichkeit.
Beim diesjährigen Filmfestival von Cannes gab es den Preis für das beste Drehbuch, und das Ensemble der Hauptdarstellerinnen wurde für die schauspielerische Leistung ausgezeichnet. Beides völlig zu recht. Das Drehbuch überzeugt nicht nur mit der packenden Handlung, sondern auch durch die philosophische Tiefe der Dialoge. Das Schöne daran: Keine einzige Zeile klingt gekünstelt oder bemüht. Almodóvar braucht kein Geschwätz, um das Geschehen zu erklären oder zu kommentieren. Die filigranen Wortgeflechte enthüllen die Seelen der Figuren und verweisen dabei auf den Zustand unserer Welt, in der für Wunder kein Platz mehr ist.
Tatsächlich sind alle Schauspielerinnen großartig und ziehen mit hinreißenden Charakterstudien voller menschlicher Wärme und Charaktertiefe in ihren Bann. Was Penélope Cruz als gestresste Mutter, heimliche Künstlerin und Amateur-Bestatterin leistet, ist allerdings überragend. Sich nie auf ihre äußerliche Attraktivität verlassend, zeichnet sie das Bild einer Frau, die für das Wohlergehen ihrer Lieben wahrlich über Leichen gehen muss. Wenn Almodóvar ihr in einer Szene huldigt, indem er die von ihr so sinnlich und intelligent verkörperte Raimunda mit den unvergessenen Mutterrollen der legendären Anna Magnani vergleicht, ist dem nur voller Zuneigung zuzustimmen. Penélope Cruz, die nicht zum ersten Mal mit Almodóvar zusammen arbeitete, beschert der Film nach unsäglichen Ausflügen ins Seichte die Rückkehr in den Kreis ernst zu nehmender europäischer Filmschauspielerinnen der Gegenwart.
Wie bei Almodóvar üblich, runden exquisite Bildgestaltung und pointierter Musikeinsatz den Genuss ab. Dessen Krönung ist allerdings eine bittere Erkenntnis, der in diesem Fall jedoch wohl auch die Männer im Publikum zustimmen müssen: Abgesehen vom Kinderzeugen sind Kerle für Frauen verdammt entbehrlich.
Autor: Peter Claus
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