Lothar Wunderlich als Bill Clinton und Susanne Knoll als Angela Merkel in dem Dokumentarfilm „Doppelleben“.

„Die ist ja nicht grad interessiert, nett auszusehen“, sagt die Frau, die genau daran interessiert ist, so auszusehen wie die Frau, über die sie so wenig Nettes sagt. Sie ist die Doppelgängerin von Angela Merkel, sie führt ein „Doppelleben“.

Douglas Wolfsperger ist ein Dokumentarist, den es treibt, unter einer skurrilen Oberfläche das eigentliche Leben zu erspüren. Glänzend gelang ihm das in dem wunderbaren Film „Bellaria“, das Porträt eines Wiener Kinos und, vor allem, seiner Besucher mit der Anmutung, als seien sie im Bernstein der Zeit konserviert.

Ganz so glitzernd ist Wolfspergers „Doppelleben“ nicht, aber ein guter Film für Menschen, die einen Sinn haben für leise Töne, für die Substanz unter der Oberfläche.

Susanne ist sauer. Weil doch jeder Mensch eine eigenständige Persönlichkeit ist, deren Erfolg man nicht einfach kopieren kann. „Jahrelang war ich die Einzige. Dann kam diese Frau.“ Und nun hat diese Bauersfrau aus dem Süden ihr Erfolgsmodell kopiert. Ihr Erfolgsmodell, das darin besteht, die eigenständige Persönlichkeit Angela Merkel zu kopieren.

Dabei, Susanne ist viel besser als Marianne. Susanne würde nie zum Geburtstag eines Mannes tingeln gehen, wie Marianne es tut. Susanne debütierte vor 100 Gästen, die wirklich die Kanzlerin erwarteten. Marianne ist eine Gauklerin für die Marktplätze, Susanne ist eine Darstellerin für die großen Bühnen. Marianne hat Susanne angerufen, sie könnten sich den Merkel-Markt doch teilen. Aber Susanne hat ihren Berufsstolz, sie hat abgelehnt.

Auch Susannes Entdecker ist sauer. Der Event-Manager aus Lübeck hat seine Entdeckung geklaut und vermarktet. „Du siehst doch, was für ein Blödmann das ist“, hat ihr der eine über den anderen gesagt. Ihr neuer Manager hat damals überlegt „wie wir sie in den Markt werfen“ und jetzt ist auch er sauer, nicht Herr Sauer, denn sein Produkt ist ihm weggelaufen. Douglas Wolfsperger schneidet die beiden Manager genüsslich gegeneinander, er mag sie nicht – besonders den einen.

„Agent“, lacht Susanne, „das klingt ja ein bisschen wie Mafia“ – und Douglas Wolfsperger schneidet lustvoll grinsend auf den Agenten. „Das war ein Scoop“ sagt dieser Mann, der einen protzigen Amischlitten fährt, und „Wenn einer nicht reden kann, dann ist es nur ein Walk Act“.

Douglas Wolfsperger ironisiert nicht, oder nur sehr sanft, die beiden Frauen mit dem Doppelleben, er reibt und weidet sich an dem Mann, der daraus ein Geschäft macht und sich geriert, als produziere er einen großen Film.

Und dann kippt der Film. „Angela Merkel hat mir das Leben gerettet“, sagt Susanne, und das stimmt wohl. Denn sie, die ihr Leben verändern wollte, hat durch die Auftritte Sicherheit gelernt, sie hat gelernt, wie man Dinge regelt und sich Dinge traut. Jetzt managt sie die Tanzschule ihrer Tochter.

Die Haltung, die Douglas Wolfsperger zu seinen Protagonisten entwickelt, entspricht etwa der von Andreas Dresen – und das Klima dieser Filme ist auch ein wenig so: Wärme und Verständnis, auch da, wo wir lächeln.

Henryk Goldberg, Thüringer Allgemeine 28.08.2012

Bild (Ausschnitt): Camino Filmverleih

 

Rezension Doppelleben von Peter Claus auf getidan