Die Schöne und der Depp
Die Schöne schreitet durch den Zug wie eine Frau, die sich die Männer aussuchen kann. Und genau das kann sie auch und genau das tut sie auch. Sie nimmt ausgerechnet diesen biederen Typen, der eine elektrische Zigarette raucht. „Es wäre mir lieber, Sie wären ein Mann, der tut, worauf er Lust hat“, sagt sie. Dann müsste dieser Mann, so wie er aussieht, wohl Kreuzworträtsel lösen.
Die zweite Vorstellung, heißt es am Theater, sei die schwerste. Der zweite Film auch. Zumal, wenn der erste gleich zum Hochadel der Branche zählte, es war der Oscar. Den Erfolg von „Das Leben der Anderen“ konnte Florian Henckel von Donnersmarck nicht bruchlos fortsetzen, Hollywood ist eine andere Liga. Er wird das gewusst haben und so konnte es bei seiner zweiten Arbeit, der ersten in Hollywood, im Grunde nur um Schadensbegrenzung gehen, um einen Film, der seine Eignung für Hollywood nicht in Frage stellt. Das ist gelungen, mehr nicht. Denn dieser romantische Thriller ist von gediegener Durchschnittlichkeit.
Wir sind also bei Frank, einem Mathematiklehrer aus Wisconsin, USA, und Elise, einer schönen Frau aus der Welt der Träume. Und weil Elises Liebhaber mit ein paar hundert Millionen Euro durchgebrannt ist, jagen ihn sowohl Interpol als auch die Gangster, denen er durchging mit dem Geld. Der Chef der Polizei ist ein rücksichtsloser Dreckskerl und der Chef der Gangster ein Kerl, der die früheren Liebhaber seiner Frau erschoss und dann, als er merkte, wie viele es waren, die Liebste selbst. Aber Elises Liebhaber ist ein Ausgebuffter, der sich ein anderes Gesicht operieren lässt und die Geliebte bittet, sich einen Typen zu suchen, der ihm in der Statur ähnelt, um die Verfolger auf sich zu ziehen. Das ist Frank und das ist die Geschichte. Wer „Fluchtpunkt Nizza“ kennt, kennt die Pointe, wer nicht, wird sie irgendwann erraten, ehe sie verraten wird.
Das Problem dieses Films sind seine beiden Stars, auf die er sich verlässt. Und bei den Preisen, die die beiden haben, muss er das wohl auch. Angelina Jolie und Johnny Depp sind ihr Geld wert – aber nicht als Paar, nicht in dieser Konstellation. Nicht einen Augenblick lang vermag der als skurriler Pirat der Karibik so glänzende Depp die Illusion zu verbreiten, eine Frau wie Angelina Jolie könnte sich in ihn verlieben. In diesen biederen Mathelehrer, dem die Ärmelschoner gleichsam ins Gesicht geschrieben sind. Da ist nicht ein Funken Begehren, nicht ein Hauch von Anziehung, von Erotik. Kein Knistern, nirgends.
Zumal die Kamera Angelina Jolie inszeniert als die schönste Frau der Welt, sie gleichsam anbetet. Johnny Depp, in dieser Konstellation, könnte der Mann sein, der ihr die Kleider näht, nicht der, der sie ihr auszieht. Und also fällt die Romanze aus, zumal das Drehbuch da wenig Stoff bietet. Die wenigen Action-Szenen sind harmlos bis albern, Depp hastet im Schlafanzug, längsgestreift, über die Dächer von Venedig. Henckel von Donnersmarck versucht ein wenig europäische Tradition in den Film zu bringen, nicht nur im Interieur – Jolie ist das kostbarste Stück darin -, auch in der Erzählung, aber es ist wie das matte Abziehbild einer Oberfläche, ohne Glitzern und Flimmern.
Zu Beginn werden Menschen abgehört, Kopfhörer, Technik, als wolle der Regisseur das zentrale Bild seines großen Erfolges zitieren. Das ist eine schöne Erinnerung.
Text: Henryk Goldberg
Bild: The Tourist von Florian Henckel von Donnersmarck, © Kinowelt
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