Angelina Jolie – ein Kerl wie sie

„Haben Sie eigentlich“, fragt der CIA-Mann einen Mann der Spionageabwehr, „eine Ahnung wer diese Frau ist?“ Der eine Mann wird später erfahren, dass er sich sehr getäuscht hat, obgleich er alles zu wissen glaubte und der andere wird, noch später, glauben, er könnte eine Ahnung haben, obwohl er nichts weiß. Aber wirklich erfahren werden sie, und wir, das erst in der nächsten Fortsetzung. Oder der übernächsten.

Angelina Jolie ist eine schöne Frau, die dafür bekannt ist, eine schöne Frau zu sein. Aber, merkwürdig genug, ihren Weltruhm, ihren Status als Superstar gewann die Schauspielerin mit einer Rolle wie ein Mann: „Lara Croft“ war eine Figur, die über martialische Fertigkeiten verfügt, die im Kino, und im Leben wohl auch, eher Männern zugeschrieben werde. Kalten, harten Männern, die töten können, wenn es notwendig ist, die von Brücken springen und aus Hubschraubern, Männer, die aus einem Marmeladenglas und ein paar Zutaten aus dem Küchenschrank in kurzer Zeit eine Bombe basteln. Evelyn Salt ist auch so eine Figur.

Namen sind Nachrichten. Salt, das war die Abkürzung für die nuklearen Abrüstungsgespräche (Strategic Arms Limitation Talks) und tatsächlich revitalisiert dieser Agententhriller von Phillip Noyce (Die Stunde der Patrioten) den Kalten Krieg, er ist ja auch ein toller Hintergrund. Hier also wollen russische Hardliner die USA vernichten, ein russischer Präsident soll ermordet, ein Atomschlag geführt werden. Eine Tages, es ist der Hochzeitstag von Evelyn Salt, die einen deutschen Romantiker (August Diehl) liebt, kommt ein russischer Überläufer und erzählt der CIA, eine russische Agentin, ein Maulwurf in der CIA, werde den russischen Präsidenten ermorden. Der Name der Agentin sei Evelyn Salt. Und der Name der Agentin, die das Verhör führt, ist Evelyn Salt. Und Salt flüchtet vor dem Misstrauen ihrer Kollegen. Diese Flucht gehört zu den Teilen der Story, über deren Windungen im Ganzen nachzudenken nicht empfohlen werden kann, es wäre dem Vergnügen nicht förderlich. Man sollte es nehmen, wie es kommt.

So wie Salt. Als sie fliehen muss, zieht sie ihre Stöckelschuhe aus, damit sie besser rennen kann. Dann den Slip, damit die Kamera nichts mehr sehen kann. Dann bringt sie ihren kleinen Hund zu einer Pflegerin, der Kleine muss versorgt werden. Und damit, mit den Pumps, dem Slip und dem Hund hat sie symbolisch beinahe alles hinter sich gelassen, was als die ablegbaren Tribute der Frau gelten kann. Fortan wird sie handeln, wie Männer handeln. Sie wird noch eine Frau sein, aber sie wird die Beine nicht übereinander schlagen, sie wird keine ausgeschnittenen Kleider tragen. Sie wird gegen Männer kämpfen mit den Waffen der Männer.

Im Ursprung wurde diese Story für Tom Cruise entwickelt. Es ist nicht zu sehen, dass die Geschichte für diese Schauspielerin substanziell umgeschrieben wurde. Nur, dass sie Tom wohl keinen Ehemann gegeben hätten. Und dieser Ehemann, es geschieht recht schnell und es ist kein Geheimnis, wird natürlich ermordet. Evelyn Salt wird zuschauen, wie ihr Mann erschossen wird und sie wird ihn rächen, wie früher Männer ihre Frauen rächten. Damals, als es noch eine klare Trennung gab zwischen Schönheit und Stärke, als die Männer die Kämpfer waren und die Frauen die Belohnung.

Niemand kann behaupten, dass Angelina Jolie keine Schauspielerin wäre, sie hat einen Oscar gewonnen und mehrere Globes. Aber es gibt wohl keine andere Rolle, in der sie so aufgeht wie in der der Frau, die ein ganzer Kerl ist. Sie hat diese unterkühlte Distanz, die leicht blasiert wirken kann, die indessen genau die richtige Aura ist für die kalte Killerin. Der Film beginnt langsam, Noyce tourt, mit einem ausgeprägten Rhythmusgefühl, das Tempo nur langsam hoch, aber dann bleibt es fast durchgehend dieses Hochgeschwindigkeitskino. Und Angelina Jolie geht darin gleichsam los wie ein wilder Stier – eine weibliche Form dieses Bildes gibt es nicht, wie es kein weibliches Äquivalent für den Machismo gibt: Aber genau das wäre es. Aber doch, da ist schon ein Unterschied. Sie ist kein brüllender Stier, sie ist diese leise Großkatze, geschmeidig, lauernd, gefährlich und tödlich wenn sie springt. Das ist kein Film über Berta von Suttner, es ist Action-Kino und als solches ist es gut inszeniert und gut gespielt. Und es ist ein Actionfilm, der die Verhältnisse umkehrt: Hier geben die Männer die Stichworte, die Vorwände, die Anlässe. Die Hauptrolle spielt eine Frau. Ein Kerl wie sie.


Text: Henryk Goldberg

Bild: © Sony Pictures