Die Zeit des ganz großen Kinos scheint vorbei. Strukturell, aber auch ästhetisch und technisch hat sich so viel verändert, dass Argumente, die einen Gang ins Lichtspielhaus zwingend machen, vage bleiben. Und nicht nur in dieser basalen Unsicherheit, sondern auch in der Abhängigkeit von (viel) Geld und medialer Aufmerksamkeit muss sich eines der immer noch wichtigsten Film-Festivals behaupten.
Dieses Jahr ist es der Berlinale nur bedingt gelungen, die Strahlkraft zu entwickeln, die man sich erhoffte. Ein Grund für die mehrheitlich wenig überzeugenden Filme, vor allem des Wettbewerbs, lag sicher auch an der Pandemie, in deren Zeit viele der gezeigten Filme gedreht wurden. Der Blick richtete sich häufig nach innen, Beziehungsthemen wurde verhandelt, und viele Kinder und Tiere bevölkerten die Leinwand. Zuviel Pathos und Kitsch war da für meinen Geschmack dabei. Und ja, man gab sich politisch, zahlreiche Beiträge hatten die Ukraine und den Krieg im Blick, oder die prekären Verhältnisse im Iran zum Thema. Und Sean Penn erhielt einen medienwirksamen Auftritt für seinen SUPERPOWER Film, der im Grunde nichts anderes war als eine Propaganda-Show für Selenskyj. Auch zeigte man sich extrem offen für alle an den Rand der Gesellschaft Gedrängten und Übersehenen. Insofern waren weder der Goldenen Bär für „SUR L´ ADAMANT, noch für die 8-jährige Sofia Otero (als jüngste Preisträgerin eines Hauptdarstellerpreises überhaupt) verwunderlich. Auch der Publikumspreis für SIRA geht in diese Richtung.
Was die Auswahl der Filme anbetrifft, erstaunte, dass einiges schon woanders gezeigt wurde, so der einzige US-amerikanische Beitrag des Wettbewerbs PAST LIVES beim Sundance Festival. Und aus Osteuropa war diesmal gar nichts dabei. Dafür aber gleich fünf Filme im Wettbewerb aus Deutschland, die offensichtlich zeigen sollten, wie „stark“ das Kino hierzulande ist. Abgesehen von bestenfalls braver TV -Ware, wo waren da neue Namen, wo blieben Entdeckungen, wo blieb Verstörendes oder Exotisches, bzw. Neues? Wie ein Märchen aus wirklich längst vergangener Zeit muss es bald klingen, dass einmal ein Ang Lee in Berlin entdeckt wurde (1993), oder gar oscarverdächtige Produktionen wie RAIN MAN hier vorgestellt wurden. Provozierend einfallslos kann man die Programmierung nennen. Die interessanteren Filme waren in der Sektion „Encounters“ zu finden, deren Bedeutung aber irgendwie rätselhaft bleibt.
Und ja, der Rote Teppich ist recyelbar und der Kaffee ohne Kuhmilch, und ja, es gab auch ein Paar Stars. Aber Hand auf’s Herz: Boris Becker als Star zu verkaufen? – allein diese Tatsache offenbart schon ein weiteres Dilemma. Wo bleiben Ideen, die neue Aufmerksamkeitsfenster öffnen, wenn es sich zeigt, dass die Zeit der Starkulte sich dem Ende nähert?
Für das Berlinale Publikum jedenfalls sollte es den aller größten Preis geben. Der digitale Ticket Verkauf, der ernsthaft mit Corona begründet wurde, und der viel von dem wegnahm, was früher an Kommunikation, Begegnungen und Austausch da war, tat dem Wunsch ins Kino zu gehen, jedenfalls dem Vernehmen nach, keinen Abbruch. Genaue Zahlen zum Ticketverkauf habe ich noch nicht gefunden, aber die Massen strömten, Vorführungen waren schnell ausverkauft. Und all‘ das trotz des immer wieder gleich schlechten Wetters auf Grund des immer gleich schlecht bleibenden Kalendermonats. Und auch die immer prekärer werdenden Abspielstätten wurden klaglos hingenommen. Allen voran die Verti Music Hall, eine Mehrzweckhalle mit Klappstühlen. Ganz zu schweigen von dem immer unwirtlicher werdenden, unseligen Potsdamer Platz. Jenseits der verlauteten und eigentlich unverschämten Beruhigungs-Pille „das Festival muß in die Stadt hinaus“, womit wohl vor allem die sogenannten Kiez-Kinos gemeint sein sollen, gibt es überhaupt keinen Plan, was und wo hier die Zukunft ist.
Daniela Kloock
Ganz oben: © Internationale Filmfestspiele / Claudia Schramke, Berlin
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