Es ist Pfingstsamstag, das Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes. Doch was an diesem 29. Mai 1982 ausgegossen wird, das ist der Zement, aus dem die Legenden sind und die Monumente. Fünf Uhr in der Frühe stirbt Romy Schneider, 43 Jahre alt. Herzversagen. Sie ist allein in ihrer letzten Stunde. Niemand ist bei ihr, als sie stirbt, der Mann, mit dem sie jetzt lebt, er schläft. Und der, der ihr der Wichtigste wäre, er ist ja bereits tot, ihr Sohn David. Er wollte im Jahr davor einen Zaun überklettern, spitze Pfähle aus Metall, 14 Jahre alt.
So scheint dieses Leben wie das Drehbuch eines melodramatischen Filmes, so werden der Weltruhm, die singuläre Schönheit und das große Talent überlagert mit den Dingen des Lebens, wie einer ihrer Filme mit Claude Sautet hieß. Beziehungen, Alkohol, Tabletten, ein Kind, das ihr stirbt. Menschen neigen dazu, im gleichmütigen Schicksal eine Art Bestimmung erkennen zu wollen. Gewiss, es war ein Herzinfarkt, doch wirkt er am Ende dieses Lebens wie seine Konsequenz. Als wäre dieses Leben entworfen, um dem gaffenden Volk zu demonstrieren, wie wenig zwangsläufig die Verbindung von Reichtum, Schönheit und Erfolg mit dem Glück ist. Zwanzig Jahre zuvor starb eine andere Frau in Einsamkeit, sie hieß Marilyn Monroe.
Die Spannweite von Romy Schneider, wer die Filme nicht mehr kennt, erhellt aus den überlieferten Fotos, melancholische Erinnerungen an die Schönheit. Sissi, die kindliche Kaiserin, 1955 der erste dieser drei Filme, dem zweiten schon wollte sie sich verweigern, doch der Film war immer schon stärker als sie. Sissi, ein nationales Symbol Österreichs, das in diesem Jahr 1955 seine Souveränität zurückerhält. Österreich wie es singt und lacht, schön und unschuldig wie das Mädchen Romy, keine Straßen waschenden Juden mehr, keine Jubelfeier für die deutschen Befreier. Sissi steht am Beginn des österreichischen Verdrängens. Das allerdings hat mit der unschuldigen Romy wenig zu tun.
Zu Beginn ihres französischen Lebens, 1959 flüchtet sie vor Sissi und den Folgen, nach Paris zu Alain Delon, sind die Fotos noch Posen, noch inszeniert, später, jenseits der Dreißig, werden sie erwachsener, auch selbstbewusster, wie die Frau die sie zeigen. Es ist, als habe das Leben dieses Gesicht geprägt. Geprägt durch Selbstbewusstsein, Lebensgier und Schmerz. Es ist nur die Leinwand, die wir melancholisch genießen. Den Preis dieser Schönheit hat sie bezahlt, allein.
Die Tochter von Wolf Albach-Retty und Magda Schneider, geboren in Wien am 23. September 1938, ist nie auf einer Schule in der Schauspielkunst unterwiesen worden. Und niemand hätte seriös prophezeien können, dass aus diesem bezaubernden jungen Mädchen einmal eine so bedeutende wie schöne Schauspielerin würde. Und es mag eine Symbolik darin liegen, dass ihr Aufstieg zur Kunst verbunden war mit dem Verlust der ersten großen Liebe.
Wegen Alain Delon ging sie nach Frankreich, wo sie den traumschönen Mann auch wieder verlor. Doch ohne dieses Land, ohne die französische Filmkunst, die Intelligenz mit Charme verbindet und Schönheit mit Tragödie, wäre aus ihr wohl nie diese faszinierende Schauspielerin geworden, deren kraftvolle, dominante Präsenz mit Persönlichkeit und innerer Kraft mindestens so viel zu tun hat wie mit Schönheit.
Es ist ein Klischee, doch wie alle Klischees ist es im Leben entstanden: Die umschwärmte Schöne, der Sehnsuchtspunkt ist selbst nichts als Sehnen. Romy Schneider hat dieses Klischee gelebt. Die einzig verlässliche Liebe ihres Lebens ist die Kamera. Als der Sohn David stirbt, das Wichtigste in ihrem Leben, flüchtet sie zu dem was bleibt: Der Film, die Leinwand, die Rolle. Ihre letzte, Die Spaziergängerin von Sans-Souci. Eine Frau, die kämpft um ihre Liebe, mit all ihrer Kraft. Dann stirbt sie. Und alle Schönheit hat ihr nicht geholfen.
Text: Henryk Goldberg
Bild: via filmarchiv.at
La passante du Sans-Souci (Regie: Jacques, Frankreich 1982)
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