Die Braut Jesu

Nina Hagen tourt mit ihren „Bekenntnissen“ durchs Land und erzählt, wie sie zur Christin wurde. 
Sie nervt etwas dabei, aber sie nervt eigentlich immer etwas dabei, was auch immer sie gerade tut. Aber jetzt hat sie während einer Tingelei eine Frage gestellt: Was wäre aus dem Christentum geworden, wenn es zu Jesu Zeiten keine Todesstrafe gegeben hätte? Merken Sie was? Das ist nämlich, im Ernst, eine gute Frage: Keine Todesstrafe, kein Kreuz, keine Auferstehung, kein Christentum. Das Kreuz war, etwas zynisch gesagt, für Jesus, was das Fernsehen für Nina war: Ein Schallverstärker. Jesus, der historische Jesus, wäre ein unbekannter Mann in einem Kerker geworden. Und eine Gesellschaft, die vor 2000 Jahren keine Todesstrafe gekannt hätte, wäre zivilisierter gewesen als unsere Gegenwart. Und hätte womöglich keiner Religion bedurft. Manchmal lohnt es sich, zuzuhören. Sogar einem Teenager von Mitte Fünfzig.

Autor: Henryk Goldberg