Klappern gehört zum Geschäft. Wohl erst recht, wenn es darum geht Anspruchsvolles unter die Leute zu bringen. So wird hier also mit den Namen großer Regisseure geklappert, Wim Wenders etwa, und Robert Redford. Es geht aber weniger um sie, als um große Bauwerke, Bauwerke als Beispiele für die Vielfalt des Lebens.
Keine Sorge: Museales wird kaum offeriert. Die Regisseure Wim Wenders, Robert Redford, Michael Madsen, Margreth Olin, Karim Aïnouz und Michael Glawogger nähern sich in ihren Beiträgen der Berliner Philharmonie, dem Salk Institute, einem biomedizinischen Forschungslabor in Kalifornien, dem neuen Opernhaus in Oslo, dem Centre Pompidou in Paris, dem norwegische Halden-Gefängnis und der Russischen Nationalbibliothek in Sankt Petersburg. Meist ist das lebendig und originell.
In der 3D-Version entsteht hier ein reizvolles Spiel aus Licht und Schatten, Realität und Imagination, das von faszinierender Vielschichtigkeit ist. Diesmal ist die 3D-Variante der zweidimensionalen Version tatsächlich vorzuziehen. Dabei legen die Regisseure mit erstaunlicher Intensität viele Momente menschlicher Selbstdarstellung frei. Denn vor allem als das werden die Bauten sichtbar: als Zeugnisse des Strebens der Menschheit, sich selbst immer wieder als Krone der Schöpfung darzustellen. Was die Filme natürlich nicht einfach so stehen lassen. Wobei es keinerlei vordergründige Wertungen oder Kommentare gibt. Die subtile visuelle Gestaltung erschließt die hintergründigen Gedanken der Künstler aufs Trefflichste.
Eine besondere Spannung resultiert aus den unterschiedlichen formalen Ansätzen der einzelnen Filmteile. Übergreifend ist dabei, dass in fünf der sechs Fälle via Stimme aus dem Off die Gebäude scheinbar selbst reden. Der Däne Michael Madsen allerdings überrascht mit einer anderen Herangehensweise. Er verzichtet darauf und fährt optisch sozusagen in die Seele des von ihm porträtierten Gefängnisses, das er als ein „Gesamtkunstwerk der Resozialisierung“ begreift. Wobei er eindringlich spürbar macht, welch beklemmende Erfahrung es ist, eingesperrt zu sein. Ohne große Traktate wird dabei verblüffend tiefgründig über die Fragwürdigkeit des Sinns von Haftstrafen nachgedacht.
Den Gestus des Films bestimmt dabei eine leichte Heiterkeit. Man verlässt das Kino ausgesprochen angeregt, denkt über das Leben an sich nach und schaut plötzlich mit geschärften Augen auf die Gebäude, an denen man in der Regel eher achtlos vorbeigeht. Wirklich eine Bereicherung!
Peter Claus
Kathedralen der Kultur, von Wim Wenders, Michael Glawogger, Michael Madson, Robert Redfort, Margreth Olin, Karim Aïnouz
(Deutschland / USA / Norwegen / Russland / Frankreich 2014)
Bilder: NFP (Filmwelt)
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