Ein Tage der Begegnungen – zum Beispiel mit der Schauspielerin Ursula Werner, der das Festival eine kleine Hommage widmet. Unprätentiös, erfrischend, lebensklug – Schlagworte, die einem schon während des Gesprächs mit Ursula Werner in den Sinn kommen. Nach vielen Jahren, ja Jahrzehnten, in denen sie überwiegend am Berliner Maxim Gorki Theater eine der Protagonistinnen war, und noch heute als Gast in einigen Aufführungen mitspielt, hat ihr „Wolke 9“, Andreas Dresens stiller Film über die Freuden der Liebe im Alter, jetzt, als Rentnerin, eine Intensivierung der Filmarbeit geschenkt. „Ja, es ist ein Geschenk, wirklich“, sagt sie mit strahlendem Lächeln. „Ich krieg ja Rente, aber, die reicht, wie bei so vielen, vorn und hinten nicht. Da bin ich froh, dass ich noch im Theater und vor der Kamera arbeiten kann.“ Wobei es ihr nicht allein darauf ankommt, „dafür zu sorgen, dass der Schornstein raucht“.
Ursula Werner tritt oft ohne Gage, oder für nur sehr geringe, in Filmen von Studenten und Anfängern auf. Die Begründung: „Das hält mich jung. Ich staune oft, mit welch großem Engagement die jungen Leuten sich mit ihren Filmen in unsere Gesellschaft einmischen wollen. Das macht mir Mut, dass die Kunst des Schauspielens wirklich zu mehr nutze ist als fürs Amüsement. Nichts gegen Unterhaltung. Aber so ein Kick mehr, das ist es doch.“ Gefragt, welchen Rat sie den Jungen geben möchte, zögert Ursula Werner nicht lange und meint: „Ich rate zu Wahrhaftigkeit. Wenn jemand an ein Projekt heran geht, soll er sich sehr genau überlegen, ob es ihm wirklich eine Herzenssache ist, ob er damit über etwas nachdenkt, dass ihm wirklich wichtig ist. Wenn’s nur ums Geldverdienen geht, dann sollte man es möglichst lassen.“ Und dann schiebt sie, realistisch wie sie die ganze Zeit anmutet, einen kleinen Seufzer hinterher: „Na ja, Geldverdienen muss aber auch sein. Es ist ein Spagat. Also sollte ich wohl raten, eine gute Balance von Verdienen für die Miete und Anspruch ans Herz und an die Seele zu finden.“
Regisseur Johannes Naber, der im Vorjahr für „Der Albaner“ den Hauptpreis gewonnen hat und in diesem Jahr Mitglied der Jury für den Wettbewerb der abendfüllenden Spielfilme ist, Jahrzehnte jünger als Ursula Werner, haut in die gleiche Kerbe. Seinen Anspruch an Filme drückt er etwas drastischer aus: „Der muss mir an die Eier gehen.“ Natürlich darf er während der Juryarbeit über diese nichts erzählen, aber doch seine Grundsätze preis geben. Als ich ihn danach frage, freut er sich vor allem darüber, „dass es gerade im jungen Kino mehr und mehr politisch Engagiertes gibt. Die Zeit der Nabelschauen ist vorbei. Und das ist gut so. Wir leben in einer Zeit, die Filme braucht, die Fragen stellen, und die das Publikum dazu anregen, Fragen zu stellen.“ Eine Frage an ihn, drängt sich natürlich auf: Hat der Ophüls-Preis ihm was gebracht? Eindeutige Antwort: „Ja. Ich kann jetzt mit Produzenten auf Augenhöhe reden. Mein Stand bei Projektentwicklungen ist jetzt ein ganz anderer.“ Dazu schwärmt er von „all den Erfahrungen während der Tour mit dem Film, bei den Diskussionen, wenn die Leute sich angeregt gefühlt haben, von meinem Film ausgehend über sich und ihre Leben zu erzählen. Das hat mich bereichert – und auch berührt.
Das Angenehme hier in Saarbrücken: allüberall ist Bodenhaftung zu spüren. Auch bei den Verantwortlichen des Festivals. So sagt mir Philipp Bräuer, einer der beiden künstlerischen Leiter, auf die Frage, wie wichtig es für das Festival ist, die Filme über den Rahmen der Woche in Saarbrücken hinaus zu betreuen: „Das ist uns sehr wichtig. Erstcmal für die Filme. Wir wollen ja Sprungbrett sein. Also laden wir Verleiher ein und Produzenten, die hier mit den jungen Filmemachern zusammenkommen, sich austauschen, und nicht selten hier beginnen, an gemeinsamen Projekten zu arbeiten. Und auch für uns, für das Festival, ist das wichtig: Wenn Autoren und Regisseure, die hier einen ersten Erfolg hatten, sogar einen Preis, sich im Kinoalltag durchsetzen, dann wirft das auch ein gutes Licht auf unser Festival-Konzept – und wir haben dadurch gute Ausweise für die nachfolgenden Festivals.“ Klar: Es gibt dutzende Filmfestivals allein in Deutschland, die nach neuen Filmen von neuen Leuten gieren. Saarbrücken hat eine große Konkurrenz – quantitativ. Guckt man auf die Qualität, steht das Festival zwar nicht konkurrenzlos da, aber doch in einem kleinen Kreis wirklich guter.
Peter Claus
Bild: Ursula Werner im Mai 2008 in Leipzig, CC BY Huipress
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