Einmal Concierge, immer Concierge
Das Regiedebüt des jungen Madrider Filmemachers Daniel Sánchez Arévalo, handelt von Aufstiegswünschen und deren Scheitern.
„Dunkelblaufastschwarz“ ist ein wunderschöner Titel. Er schmückt den ersten Spielfilm von Daniel Sánchez Arévalo, der bisher Drehbücher für spanische Fernsehserien schrieb. Das merkt man. Die Dialoge funktionieren und erzählen charmant und mit Witz von den Ich-Findungs-Schwierigkeiten zweier Männer Ende zwanzig. Auch die Schauspieler sind gut, einige wurden mit dem Goya-Preis für den Nachwuchs ausgezeichnet. Zusammen bilden sie wohltuende Inseln in einem ansonsten mit bedeutungsschwangerer Symbolik überfrachteten Film.
Womit wir beim Nebenthema wären: Schwangerwerden. Paula (Marta Etura) will unbedingt ein Kind bekommen, um in den Mutter-Kind-Bereich des Madrider Gefängnisses wechseln zu können. Und wohl auch, weil ihr sonst nicht so viel zu ihrem Leben einfällt. Ein Theaterworkshop macht die notwendige Annäherung an das männliche Geschlecht möglich. Allein, Antonio (Antonio de la Torre) ist unfruchtbar. Und schwups wären wir wieder bei den Herren und ihren Urängsten: Die Schande des Unmännlichseins. Gesteigert wird sie durch den Umstand, dass Jorge, der moralisch deutlich trittfestere kleine Bruder von Antonio mit seinen Spermien aushilft und das Rennen bei der Dame des Herzens macht. Was Paula erfreut, ihm jedoch nicht wirklich weiterhilft, denn Jorge (Quim Gutiérrez) braucht keine Freundin, sondern dringend einen anderen Umgang mit seiner Herkunft. Das fällt allmählich auch ihm auf. Sein Traum war der Ausstieg aus der Arbeiterklasse. Der dunkelblaue oder schwarze Anzug ist ihm daher heiliges Symbol; auch wenn er darin wirklich blöde aussieht. Verwendung, und das muss er offenbar lernen einzusehen, hat er vor allem für einen mittelblauen Overall. Er ist Hausmeister, sein mittlerweile dementer Vater war es auch. Ihr Arbeitsleben drehte sich in erster Linie um die Müllsäcke der Besserverdienenden.
In diesem Punkt ist der Film wieder interessant – trotz seiner mehr oder weniger grauslichen Vorstellungen von Mann und Frau. Mit unerwarteter Härte führt er Spaniens Klassengesellschaft vor. Oder vielleicht mehr noch ein Denken, das alle an ihrem angestammten Platz verwahrt sehen möchte und Fluchtvisionen als naiv abtut. Aufgrund der eingesetzten durchaus cleveren Narrations- und Montagetechniken hat man zunächst gar nicht bemerkt, welch geradlinig reaktionäre Denkhaltung dem Plot zugrunde liegt. Denn seis drum: Einmal Concierge, immer Concierge, und damit eben niemals Mann.
Zwar lässt sich das Haus wechseln, der ersehnte Anzug illegal erwerben, aber man wird dem Familienschicksal nicht entkommen: Am Ende sitzt Jorge, der sein Studium abgeschlossen hat und mit den Minderwertigkeitsproblemen der Deklassierten ringt, mit seinem Kindheitskumpel in der gleichen Scheiße wie stets, wenn auch auf einem neuen Dach. „Was machst du?“, fragt er seinen Freund, dieser beschäftigt sich gerade mit einem Fernglas. „Ich such nach neuen Illusionen. So wie du.“ Schnitt. Die letzte Szene zeigt Jorge in einem winzigen Hausmeisterhäuschen am Tor zu einer neu gebauten gated community. Sein Vater im Rollstuhl und sein nichtsnutziger Bruder in Jogginghose kommen zielstrebig auf ihn zu. Der ewige Mühlstein um den Hals: die kastrierte proletarische Männerfamilie. Jorge blickt sie hasserfüllt an. Ein bisschen Dunkelblau im Schwarz wäre jetzt gut.
Text: Ines Kappert
Zuerst erschienen in taz (20.06.2007)
Bilder: Arsenal
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