Sonne über Venedig. Die gern mürrische Filmkritiker-Gemeinde aus aller Welt ist zu guter Laune gezwungen. Das fällt so mancher und manchem schwer. Aber das Festival macht es den Griesgramen noch schwerer, nicht fröhlich in die 67. Ausgabe der Mostra Internazionale d’Arte Cinematografica, des Internationalen Filmfestival von Venedig, zu starten. Ein schicker Empfang in einem Luxushotel für die Journaille aus aller Welt zum Auftakt – Häppchen, Schampus und Gondel-Romantik inklusive wurde ausgerichtet – wer will da noch die Mundwinkel runterhängen lassen?

Das Festival selbst steht unter ziemlichem Erwartungsdruck. Berlin und Cannes, die großen Konkurrenten, boten wenig Eindrucksvolles. Am Lido von Venedig soll nun also geklotzt werden.

22 Filme aus aller Welt konkurrieren im Hauptwettbewerb „Venezia 67“ bis zum 11. September um den Goldenen Löwen. Deutschland schickt „Drei“ ins Rennen, ein Kammerspiel von Regisseur Tom Tykwer. Er hat hier einst mit „Lola rennt“ einen schönen Erfolg verbucht. Vielleicht klappt’s ja wieder?! Antreten muss er gegen renommierte Regisseure wie beispielsweise Julian Schnabel (USA), Sofia Coppola (USA), François Ozon (Frankreich), Tsui Hark (Japan), Jerzy Skolimowski (Polen) und Carlo Mazzacurati (Italien).

Das Festival betont nach wie vor, insbesondere den künstlerisch anspruchsvollen und den politisch engagierten Film fördern zu wollen. Doch der Kommerz ist im Vormarsch. Das zeigt sich schon an einer auffallenden Äußerlichkeit: Die Liste der auf dem Festivalgelände vertretenen Shops, Boutiquen und Vergnügungszentren ist fast länger als die der angebotenen Filme. Und bei denen fällt in den vielen Sektionen um den Hauptwettbewerb herum ein Überangebot an Horror, Sex und Thrill auf.

Solches bietet schon, freilich hübsch edel verpackt, der Eröffnungsfilm „Black Swan“ von Regisseur Darren Aronofsky. Nach seinem „The Wrestler“, mit dem er hier vor zwei Jahren den Goldenen Löwen einheimste, bietet er diesmal einen Krimi im Ballettmilieu. Weißer und schwarzer Schwan aus Tschaikowskys „Schwanensee“ stehen dabei für Gut und Böse. Natalie Portman und Mila Kunis liefern sich einen Zickenkrieg auf ästhetisch hohem Niveau. Das sieht toll aus. Aber eine nachhaltige Wirkung hat der Film nicht. Die Story wirkt zu bemüht. Und anders als in „The Wrestler“ fehlen eine sozialkritische und eine in die Tiefe gehende psychologische Ebene. Als spannende Unterhaltung ist das in Ordnung. Großes pralles Kino, das über den Filmbesuch hinaus spannend ist, wird aber nicht geboten. Hoffentlich fällt das Gesamtprogramm gehaltvoller aus.





Black Swan (Regie Darren Aronofsky, USA 2010)





Versprochen wird, klar, wieder mal viel Glamour. Der rote Teppich ist ausgerollt. Aber kommen wirklich alle Promis, die erwartet werden? In den Vorjahren kamen sie nicht. Mal sehen, wie es in diesem Jahr wird. Stars wie Benicio  Del  Toro, Hellen Mirren, Vanessa Redgrave, Willem Dafoe gelten als sichere Besucher. Aber ob Stars wie Robert De Niro und Don Johnson wirklich erscheinen, ist noch nicht klar. Die beiden Hollywood-Schwergewichte spielen Nebenrollen in „Machete“ von Robert Rodriguez. Der als knallharter Reißer angekündigte Film wird heute um Mitternacht gezeigt. Noch so ein massentauglicher, auf hohen Profit ausgerichteter Blockbuster.





Machete (Regie: Robert Rodriguez, Ethan Maniquis, USA 2010)





Aber – wir meckern nicht. Dafür freuen wir uns auf den Nebenwettbewerb, „Orrizonti“ (Horizonte). Dort locken Vertreter des Anspruchsvollen wie die Regisseure Catherine Breillat (Frankreich), Guillermo Arriaga (Mexiko) und Vincent Gallo (USA). Es wird also garantiert nicht nur Schampus-Flimmerstücke in Venedig geben, sondern auch handfeste Kost. Wirklich ein Grund zu lächeln.

Peter Claus