Cedric Bomfort: Das Amt
Künstlerhaus Bethanien, bis zum 20. Oktober 2010
Eine Arbeit, wie sie nicht besser nach Berlin passen könnte: Ein Jahr lang hat der kanadische Künstler Cedric Bomfort hier übrig gelassene Bauhölzer gesammelt. Die Skulptur, die er daraus gebaut hat, erinnert an die experimentelle Architektur der Nachwendezeit, die die Künstler in Berlin zu paradigmatischen Pionieren des Provisoire hat werden lassen. Die „urbane Reflexion“, als die das Kunstwerk beschrieben wird, ist eine sachte Untertreibung. Denn der 1975 in Vancouver geborene Bodric, der in Schweden studiert hat und in Berlin und Vancouver lebt, ruft mit seiner Skulptur, die wie eine Sicherheitsschleuse passieren muss, wer vom vorderen Ausstellungsraum des neuen Domizils des Künstlerhauses Bethanien in die hinteren gelangen will, das ganze Assoziationsvokabular auf, das mit einem spektakulären Kunstwerk wie diesem unvermeidlich verbunden ist: vom Panoptikum über Foucaults Überwachen und Strafen bis hin zum simplen Baumhaus. Und natürlich ist ein Titel wie „Das Amt“ eine Referenz an Franz Kafka’s Schloss. Das Ganze ist auf jeden Fall eine beeindruckende Mischung aus Metapher und Experiment.
Künstlerhaus Bethanien
Ausstellungsräume
Kottbusser Straße 10
10999 Berlin
http://www.bethanien.de/
Cedric Bomford:
http://www.aedc.ca/cedric/c_main.htm
Projektraum Uqbar
Und an sieben anderen Plätzen in Berlin, bis 20. November 2010
Die 1962 in Huttiwil geborene Schweizer Künstlerin Maya Weyermann hat Berliner Ladenbesitzer interviewt. Eine Arbeit in der Tradition der soziologischen Feldforschung, die derzeit alle Biennalen dominiert. Die Arbeit ist das beste Mittel gegen die Anwandlungen eines Thilo Sarrazin und seiner Claquere. Weil die seelischen Traumata hier eine Rolle spielen, die mit der Migration immer verbunden sind. Das Besondere ist aber die Umsetzung. Aus den Kindheitserinnerungen der Interviewten hat Weyermann virtuelle Räume in 3-D geformt, die an surrealistische Tableaus erinnern. Darin kommen Versatzstücke aus den Erzählungen der Migranten vor: Räume, Spielzeug oder Erinnerungen an Landschaften. Die Erinnerungen der Migranten und die Projektionen der Betrachterin überlagern sich in diesen Bilderfolgen so wie im realen Leben, ohne in irgendeinen Realismus zu verfallen. Ein Citywalk verbindet den Ausstellungsraum mit den Geschäftsräumen der Befragten in der Stadt und lädt zum Besuch von deren Ladenlokalen ein. Ein überzeugendes Bild der Verbundenheit von Mehrheits- und Parallelgesellschaft im Imaginären. Und hier kommt endlich auch das poetische Moment der Kunst wieder zu seinem Recht, das so vielen verhinderten Biennale-Soziologen fehlt.
uqbar
Schwedenstr. 16
13357 Berlin
http://projectspace.uqbar-ev.de/
Weitere Informationen:
http://www.real-time-nomads.com/database
Stephanie Snider: Light Silence, Dark Speech
028 Sassa Trülzsch, Berlin, noch bis zum 30. Oktober
Bei den gefaketen Schatten auf den Bildern Stephanie Sniders ließe sich an eine subtile Institutionen-Kritik denken, an die Hinterfragung des Bildraumes und der Sehkonventionen. Doch dafür ist auf den Bildern der 1969 geborene Künstlerin aus New York dann doch zu viel zu sehen, das eine eigene Geschichte erzählt. In Bild und Skulptur arbeitet Snider mit dem Prinzip der irritierenden Kombinationen: der Schemen einer alten Postkutsche, ein schwarzer Mond, ein Lochmuster. Treppen führen ins Nichts, Vögel sitzen auf Stahlstangen. In diesen surrealen Tableaus finden sich dann wieder abstrakte Symbole. Kreise etwa, die sie zu kleinen Skulpturen verschränkt, welche an Inkunabeln der Klassischen Moderne erinnern. Light Silence, Dark Speech, der Ausstellungstitel, meint: Alles kommt leicht daher und birgt doch seine Geheimnisse. Wie auf einer Bühne sind hier Landschaften persönlicher und kollektiver Erinnerungen aufgebaut. In denen der Akteur fehlt. Die Grundformen der Moderne lassen sich aber auch als Codes lesen, die jederzeit den Weg zurück ermöglichen. Trotz aller Verrätselung geht es Snider immer darum, das illusionistische Verfahren der Kunst offen zu legen. Auf ein Ölbild übereinander gelegter Spüllappen, die von abstrakten Mustern fast nicht zu unterscheiden sind, hat sie in deutscher Frakturschrift geschrieben: alles Lüge.
Sassa Trülzsch
Blumenthalstr. 8
10783 Berlin
info@sassatruelzsch.com
Text: Ingo Arend
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