Der Berliner me-Collectors Room zeigt eine aufschlussreiche Ausstellung über Bildende Kunst in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Ein arabischer Mann im weißen Gewand, der einen goldenen Pokal schwenkt. Platz 1 des Siegertreppchens, auf dem er steht, trägt die Aufschrift „The winning gender“. Ihm zu Füßen sitzt eine schwarz verschleierte Frau. So wie auf dem Foto von Sara Al Ahbadi stellen sich wahrscheinlich immer noch viele „die Araber“ oder „die Emirate“ vor.
Doch die Aufnahme ist gestellt, wie man an den Scheinwerfern links und rechts der bizarren Szene sehen kann. Wie zum Hohn auf die Stereotypen des gemeinen Betrachters hat der Künstler aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (UAE) seine Fotoserie „Here’s what you think of me?“ genannt.
Im Ausstellungs-Overkill der letzten Art Week ging die große Schau im privaten Showroom „me Collectors“, in der das großartige Werk zu sehen ist, leider unter. Dabei sind die 51 Kunstwerke, die die Abu Dhabi Music and Arts Foundation (ADMAF) aus Anlass des 45. Geburtstages der 1971 gegründeten Emirate für das Arts Festival 2016 in Dubai auflegte und die nun zum ersten Mal außerhalb der Emirate zu sehen ist, eine aufschlussreiche Entdeckung.
Mehr als 100 interkulturelle Konferenzen ist sie nämlich geeignet, das Klischee von dem geld- und goldverliebten Wüstenscheichtümern aufzubrechen, die sich gern eine Dependance des Louvre oder des Guggenheim in den Sand setzen, künstlerisch aber selbst wenig zu bieten haben. Auch wenn „Portrait of a Nation“ schon im Titel der Schau das Ziel einer offiziösen Selbstdarstellung verrät.
Der gewisse Grundton von Harmonie und Respekt, der die Schau durchzieht, zeigt sich gleich am Eingang, wo Anna Al Dabbagh einen riesigen Spiegel aus Acrylglas in Form des Territoriums der UAE an eine Wand gehängt hat. Darauf hat sie in den 52, in dem Land gesprochenen Sprachen das Wort „United“ geschrieben. In einem Begleitvideo spricht sie von der „großen Liebe der Emirati“ zu ihrem Land.
Und mit „Dhad“ – der Skulptur aus blau verzinktem Stahl, der den 15. Buchstaben des arabischen Alphabets darstellt, wollte die Dubaier Künstlerin Azza Al Qubaisi, wie sie erzählt, die arabische Sprache „hervorheben und würdigen“.
Eine reine Legitimationsschau des aufgeklärten Absolutismus der UAE ist der Parcours dennoch nicht geworden. Dafür wird hier doch eine zu geballte Ladung reflexiver, eigensinniger, absolut zeitgenössischer Moderne ziemlich junger Künstler*innen aufgefahren. Dazu zählen die Scanographien von Zeinab Al Hashemi, auf denen sie die Transformation der Städte mit Hilfe von Satellitenbildern aufgreift. Oder die Land-Art von Mohammed Al Astad, der seine Leinwände am Strand von Abu Dhabi vergräbt – die Natur als Katalysator von Kunst.
Keine Ausstellung zur arabischen Kunst auch ohne Hassan Sharif, den 1951 geborenen und 2016 gestorbenen Übervater der emiratischen Konzeptkunst. In seinem Werk „Shanghai“ hat er ein Aluminium-Tablett aus chinesischer Massenproduktion brutal mit Kupferdraht stranguliert. Der ressourcenverschlingende Lebensstil, den er hier so formvollendet kritisiert, macht auch vor den traditionsverbundenen Emiraten nicht Halt.
Konflikte wie die Zensur in den UAE oder das das Leben der Fremdarbeiter dort sucht man in der Schau vergebens, auch alle Künstler sind arabische Emirati. Kritik blitzt aber etwa bei Mohammed Kazems Serie „Photographs with a Flag“ auf. Wenn der Künstler eine auf Baustellen benutzte Fahne in den Wüstensand steckt, fragt er nach den gewaltigen Infrastrukturprojekten, die die Emirate bis zur Unkenntlichkeit verändert haben. Er markiert aber zugleich das Terrain einer alternativen Vision.
Überall auf der Welt verbinden sich derzeit religiöser Fundamentalismus und sortenreiner Nationalismus zu einer unheiligen Allianz. Während die angeblich so geschlossene und wandlungsresistente muslimische Kultur zum Feind des multikulturellen, offenen Westens stilisiert wird, kommt nun aber ausgerechnet aus den Emiraten die Botschaft von Diversität und friedlicher Koexistenz. Kein Wunder vielleicht: Leben hier doch rund 200 Nationalitäten auf engstem Raum.
„Desert Rose“ hat Sarah Al Agroobi ihre Arbeit genannt. Sie hat Sand aus den sieben Mitgliedsstaaten der Emirate zu einer ockerfarbenen Skulptur in Form einer, für die Region typischen, Wüstenrose geformt. Jedes der Sandhäufchen in den sieben Glasfläschchen davor, hat eine andere Farbe und Zusammensetzung. Zusammen bilden sie ein Gewächs von herber Schönheit.
Ingo Arend
Bild ganz oben: Mohammed Kazem: Fotografien mit einer Fahnen, 1997. 12 Prints. Foto: Galerie Isabella van den Eynde/me-Collectors
AUSSTELLUNG
Portrait of a Nation. Zeitgenössische Kunst aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Me collectors Room | Berlin | Augustraße
bis zum 29. 10. 2017
- Zwischen Schmerz und Begehren: Semiha Berksoy, der Kunst- und Operndiva und ersten „Staatskünstlerin“ in der Türkei, die 2004 mit 94 Jahren verstarb, gilt eine Retrospektive im Hamburger Bahnhof in Berlin - 18. Dezember 2024
- Alltag mit Corona: Berlin - 23. Dezember 2020
- Streit um neuen documenta – Aufsichtsrat in Kassel - 12. Dezember 2020
Schreibe einen Kommentar