Kunst mit Luft und Licht
Rezension von Ingo Arend

In „Weiche Displays“ setzt sich der Kulturwissenschaftler Gunnar Schmidt mit Materialien wie Wolken, Rauch und Nebel künstlerisch auseinander. Es geht also um Kunst, die aus der Verbindung von Luft und Licht entsteht.

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gesendet: 23.06.2011 11:33, Radiofeuilleton: Kritik, Deutschlandradio Kultur

Wer hat Angst vor Rot-Grün-Blau? Als der dänisch-deutsche Künstler Olafur Eliasson vergangenes Jahr in Berlin eine Ausstellung eröffnete, überraschte er die Besucher mit einem Raum voller Nebel, der ständig seine Farbe wechselte. Wer darin umherspazierte, verlor langsam, aber sicher die Orientierung. Wie soll man so eine Arbeit nennen? Installation? Performance? Soziale Plastik?

Viele Künstler arbeiten so wie Olafur Eliasson. Und zwar nicht erst seit heute. Schon der Comic-Held Batman kündigte um 1942 mit dem an den Himmel gestrahlten Fledermaus-Symbol seine Rettungsaktionen an. Und 2008 verwandelte das deutsch-englische Künstlerduo HeHe mit einem Laserstrahl die unsichtbaren Emissionen eines Wärmekraftwerks in Helsinki in eine grellgrün leuchtende Wolke.

Der Kulturwissenschafter Gunnar Schmidt hätte seine Studie über solche „Projektionen auf Rauch, Wolken und Nebel“ auch „Die Kunst des Flüchtigen“ oder „Ästhetik des Wunderbaren“ nennen können. Wenn er sie jedoch „Weiche Displays“ nennt, zeigt das schon sein Interesse daran, wie sie angewandt werden. Schmidt lehrt an der Trierer Fachhochschule für Technik und Wirtschaft am Fachbereich Gestaltung Intermediales Design.

Für Schmidt sind diese „weichen“ Medien keineswegs nur Attribute jener „Kultur des Spektakels“, die der französische Theoretiker Guy Debord in den Sechzigerjahren aufs Korn nahm. In seiner akribischen Phänomenologie zieht er die Linie von den Phantasmagorien des 18. Jahrhunderts, wo höfische Gesellschaften in einer Art Seance durch Hohlspiegel Projektionen auf Rauch betrachteten, über die Versuche der Firma Henkel in den Dreißigerjahren, mittels Wolkenprojektionen für Persil zu werben, bis zur Lichtkunst heutiger Tage.

Schmidt deutet sie zwar als Vorläufer der modernen Unterhaltungskultur, denn sie setzen auf Synästhesie, Animation und Effekt. Die Phantasmagorie nennt er „Urform des Special Effects“. So wie diese Medien in die Lebenswelt eindrängen, profanierten sie aber auch die religiöse Vorstellungskraft. Aufklärung und Unterhaltung seien in ihnen stets eine lustvolle Verbindung eingegangen. Wie man an einem Abend des Jahres 2005 im australischen Sydney sehen konnte, als die Künstlerin Debora Kelly das Motto „Beware of God“ in den Himmel projizierte. Liest man den lieben Gott, „God“, als Anagramm, wohnt dort oben ein gewöhnlicher Wachhund: „Beware of Dog“. In Aktionen wie Kellys sieht Schmidt die Ablösung des Numinosen durch das Luminose.

Fungierten die weichen Displays im 18. Jahrhundert noch als „Gegenmodell zu den traditionellen Künsten“, so Schmidt in seiner manchmal etwas hermetisch geschriebenen Studie, sollten sie diese heute eher entstofflichen. In Olafur Eliassons Hang zu buntem Rauch, einer Art entmaterialisierter Farbe, kann man das Nachwirken des frühen Impulses spüren, klassische Repräsentationsmodelle wie das Tafelbild durch flüchtigere Medien zu ersetzen.

Wenn Schmidt schließlich die „Anti-Aufklärung“ Olafur Eliassons hervorhebt, redet er keinem Irrationalismus das Wort. Fraglich, ob es den „Genuss vor jeder Aussage“ wirklich geben kann, den er als Bedürfnis hinter dem Trend ausmacht, die Wahrnehmung mit Hilfe einer Kunst an ihre Grenzen zu führen, die erfahren wird, statt sie bloß zu betrachtet. Nachdrücklich unterstreicht er aber die Bedeutung ihrer sinnlichen Qualitäten vor den logischen. Ungefähr nach dem Motto: Ich versteh‘ die Welt nicht mehr, also bin ich!

Autor: Ingo Arend

Bild: Ausschnitt aus Claude Monet, The Thames at Westminster (1871, National Gallery, London)



Gunnar Schmidt: Weiche Displays. Projektionen auf Rauch, Wolken und Nebel

Wagenbach, Berlin 2011, 160 Seiten, 22,90 Euro


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