Er ist schon ein sonderbarer Mensch, dieser Werner Herzog. Und das schönste: die Hälfte von ihm ist ohnehin erfunden, oder, um es mit den Worten des Regisseurs auszudrücken, in die Form von „ekstatischer Wahrheit“ gebracht. Die andere Hälfte wandert als Biographiesplitter durch die Interviews und Erinnerungen seiner Freunde und Weggefährten, von denen noch keiner behauptet hat, er oder sie habe sich mit dem Menschen Werner Herzog ausgekannt. Um so mutiger das Unterfangen des Filmkritikers und Radiomannes Moritz Holfelder, die erste Biographie dieses Filmemachers zu schreiben, der es im Ausland immer leichter gehabt hat als im eigenen Land. Kurz und bündig ließ der auf die Anfrage bezüglich einer Zusammenarbeit mitteilen, „dass Werner Herzog anlässlich seines 70. Geburtstages sämtliche Aktivitäten, Ehrungen, Berichte oder dergleichen, auf die er Einfluss hat oder an denen er mitwirken soll, strikt vermeiden will.“ Und so wurde Holfelders Arbeit, notgedrungen aber durchaus glücklich, keine autorisierte große Biographie, sondern eine Form der Spurensuche, ein Mosaik. Sie folgt dabei einer strikten Unterscheidung des Filmemachers selber, nämlich der zwischen dem Privaten (das uns in der Tat nichts angeht) und dem Persönlichen (mit dessen Hilfe man sich durchaus der Kunst nähern darf). Es ist also, im besten Sinn, ein sehr persönliches Buch entstanden, von dem man nicht unbedingt ein simples „Und-dann“ erwarten darf, sondern auch ein paar Text-Experimente und Abschweifungen.
Zur ekstatischen Wahrheit des Werner Herzog gehört es, dass die Widerstände und Gefahren eines Projektes nie groß genug sein können. „Ein Herr der Schmerzen. Ein Mann der selbst auferlegten Qualen, einer, der behauptet, alle seine Filme kämen aus dem Schmerz – und handelten folglich nicht von den vergnüglichen Seiten des Leben“: Holfelder weist sanft darauf hin, dass die wahre Kunst des Werner Herzog auf diesen Mythos gar nicht angewiesen ist. Dieser „Kino-Visionär“ ist einem beim Lesen des Buches näher gekommen, mehr Mensch und weniger Legende werden sichtbar. Und schön geschrieben ist es obendrein. Wie will man einem solchen Portrait ein größeres Kompliment machen?
Georg Seeßlen, Die Zeit
Bild: CC BY-SA 2.0 Flickr user „erinc salor“ http://www.flickr.com/photos/espressoroast/
Moritz Holfelder: Werner Herzog. Die Biografie
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