Tatort Münster
Bevor Münsters Schattenwelt von furchtbar lustigen TV-Kommissaren seziert wurde, fiel STARSHIP TROOPERS-Regisseur Paul Verhoeven in dem Ritter-Spektakel Flesh + Blood von 1985 mit der Streitaxt über die Geschichte der lauschigen Westfalen-Metropole her.
Zu Beginn des blutigen Historiensteifens stürmt im Jahr 1501 ein Heer eine befestigte Stadt um zu töten, zu plündern und zu vergewaltigen. Teil der Armee ist die Söldner-Truppe von Martin (Rutger Hauer) – er sagt: „Ich habe nur eins gelernt, Kriege zu überleben.“
Für den Holländer Verhoeven ist Flesh + Blood eine freie Interpretation der Geschichte der berühmt berüchtigten Wiedertäufer um Jan van Leiden, die für ihn in Münster eine Form des frühen Kommunismus lebten. Und so tragen seine Soldaten rote Uniformen, aber tiefer verstehen muss man das alles nicht. Martins Reise mit seiner Horde liefert ein buntes Schlachtengemälde aus Sex, Gewalt, religiösem Aberglauben, schwulen Söldnern und Pestbeulen. Das ist nicht alles schön, aber selten. Filmvisionär Verhoeven rieb sich bei den Dreharbeiten dieses Europuddings mit US-Beteiligung kreativ auf: Er wollte kontrovers-komplexe Geschichte wie in Sam Peckinpahs THE WILD BUNCH erzählen, aber in der schwierigen Organisation der internationalen Produktion entglitt ihm die Geschichte. Der Film erwies sich jedoch als wegweisend, denn nachdem Verhoeven in den 1970ern mit provokanten Dramen wie TÜRKISCHE FRÜCHTE schockte und berühmt wurde, prägte er mit Flesh + Blood den „Comic“-Film. Hier verschwinden in absurder Überhöhung aus rasanter Action und Hardcore-Gewalt die Grenzen zwischen Realismus und Comic. Nach Flesh + Blood führte er diese Filmart in seinen ersten reinen US-Produktionen ROBOCOP und TOTAL RECAL zur Perfektion. Während heute Schlachtenfilme mit sterilen CGI-Burgen, Soldaten und Blut langweilen, ist Flesh + Blood hingegen ein wunderbar rüdes Machwerk, aus, nun ja, Fleisch und Blut. Der Titel hält, was er verspricht.
Wolf Jahnke
Flesh + Blood
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