Schicksalsjahre einer Prinzessin
Jetzt wissen wir, dass auch ein pakistanischer Herzchirurg Dianas Herz nicht heilen konnte.
Wissen Sie noch, wo Sie am 29. Juli 1981 waren? Das heißt, falls es Sie damals schon gab. Dann klebten Sie ziemlich sicher mit 750 Millionen anderer Menschen vor dem Fernseher und schauten zu, wie der britische Kronprinz eine als Hochzeitstorte verkleidete 20-Jährige zum Altar führte. Und wo waren Sie am 31. August 1997? Ich weiß es noch genau, ich saß in Bern mit einer Freundin beim Frühstück, es war ein sehr schöner Morgen, und ein völlig schockierter Nachrichtensprecher von DRS 1 sagte, dass Diana, Princess of Wales, jetzt tot sei. Ums Leben gekommen in Paris. Und es war, als würde die Sonne für einen Moment nur noch kaltes Licht auf die Erde werfen, und die Vögel schwiegen.
Es war der Tag, als Diana zur Legende erstarrte. Für immer schockgefroren auf der Höhe ihrer Schönheit und ihrer Freiheit, die allerdings nie ganz richtig eine war, nicht seit jenem Tag, als sie einwilligte, die ihr seit Geburt zugeschobene Rolle als royales Heiratsmaterial auch tatsächlich anzunehmen. Bei ihrem Staatsbegräbnis sang Elton John «Candle in the Wind» – und wer weiß, vielleicht hat sie sich da einmal wohlig in ihrem weißen Sarg geräkelt. Jedenfalls, wenn sie im richtigen Leben auch so drauf war wie in Oliver Hirschbiegels Film «Diana». So mädchenhaft romantisch und immer einen Spruch über die Liebe auf den Lippen, auch mit 36, in ihrem Todesjahr.
Vielleicht war sie so. Aber was wissen wir schon? Wissen wir denn, wie Hitler im Führerbunker wirklich war? Denn Hitler ist ja die andere tote Weltberühmtheit, der sich Hirschbiegel einmal gewidmet hat, im «Untergang» (2004), auch da imitierte ein Schauspieler eine historische Figur beziehungsweise eignete sie sich an: Bruno Ganz ging damals ganz auf in seinem Hitler, und für Hirschbiegel wurde der «Untergang» zum Steigbügel in Hollywood, er wurde für einen Oscar nominiert, den er zwar nicht bekommen hat, aber man gab ihm nachher zwei sehr teure Spielzeuge, nämlich Nicole Kidman und Daniel Craig. Mit denen drehte er «Invasion», das Remake eines Horrorklassikers, und das war selbst eine Art Horror.
An Jazz denken hilft
Mit «Diana» ist Hirschbiegel jetzt wieder zu seinem Erfolgsrezept zurückgegangen, nämlich eben zur historischen Überpersönlichkeit, deren spektakuläres Leben innerhalb des Films schicksalssatt dem Ende entgegengeht. Hitlers letzte Tage, Dianas letzte zwei Jahre. Leider verliert Diana diesen Zweikampf. Erstens, weil sie als Figur ungleich uninteressanter ist als Hitler, es fehlt ihr – jedenfalls bei Hirschbiegel – der Abgrund, sie ist ja dann im Vergleich zu einem der schlimmsten Psychopathen der Menschheitsgeschichte doch nur eine Prinzessin.
Zweitens, weil der echte Hitler schon so lange tot ist, gewissermaßen verwest im körnigen Schwarzweiß alter Filmrollen, manchmal einzig getragen durch seinen Schnauz, die Frisur, das Gebell. Man kann schemenhafte Figuren wie ihn einfacher fürs Kino reanimieren. Jedenfalls im Vergleich zu einer Diana. Deren Leiche ist noch verhältnismäßig frisch, ihr Gesicht in all seinen Details gegenwärtig, ihr Gang, ihre leicht schizophrene Art zu reden, wie ein Schulkind, wenn sie eine Ansprache halten musste, normal bis souverän, wenn sie kein Skript vor sich hatte. Sie hat das exakt so ihrem Sohn William vererbt.
Naomi Watts stellt all dies nach, aber sie stellt es nicht dar. Die echte Diana war in ihren letzten Jahren härter geworden, entschlossen, man könnte gar sagen durchtrieben; Naomi Watts als Diana ist lieblich, die staatsmännisch geplanten Charity-Kampagnen – Dianas berühmteste war diejenige für Minenopfer in Angola – wirken immer ein bisschen wie zufällig ausgedacht oder, um im Jargon des Films zu sprechen, wie Jazz. Denn vor allem erzählt «Diana» eine bestimmte Liebesgeschichte der Diana Spencer – sie hatte sich im Dezember 1992 offiziell von Charles getrennt –, ihre zweitletzte, vor Dodi Al-Fayed also, mit dem pakistanischen Herzchirurgen Hasnat Khan (Naveen Andrews, normalerweise ein Augenschmaus von einem Mann, hier leider etwas aufs Hausbacken-Seriöse zurechtgestutzt). Und der ist Jazzfan. Und rät Diana – wenn er nicht gerade persische Gedichte über den Garten der Liebe zitiert und sie ihm mit Koranzitaten antwortet – zu «improvisieren» wie eben im Jazz.
Wie Bridget Jones ohne Humor
Was dabei herauskommt, mag zwar für die echte Diana eine kurze Zeit von halbwegs normalem Glück gewesen sein, im Kino nimmt es sich aus wie eine Soap vor der Kulisse eines Palastes, der sich besonders durch seine perfekt ausgerüstete Küche und viele zu Beziehungsgesprächen einladende Sofas hervortut. In den schlimmsten dieser Gespräche ist Diana so naiv wie Bridget Jones, aber ohne Humor. Dass sich die beiden trennten, weil er arbeiten und nicht Celebrity-Anhänger spielen wollte, das scheint erwiesen zu sein. Dass Diana ihre Affäre mit Dodi Al-Fayed nur inszeniert habe, um sich an Khan zu rächen, das gehört wohl eher ins Reich der Verschwörungstheorien. Aber dramaturgisch ist es natürlich von einer höheren Konsequenz. Am schönsten ist der Film übrigens, wenn Diana weg ist. Da hilft dann auch kein Herzchirurg mehr gegen die schockhafte Rührung, die sich noch einmal breitmacht. Wie damals, an jenem Augusttag vor 17 Jahren.
Simone Meier, Tagesanzeiger.ch/Newsnet 27.09.2013
Bilder: Concorde Filmverleih
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