Der Sänger, Trompeter und Komponist Chet Baker als Hauptfigur eines Spielfilms, eine Ikone des Jazz, unvergessen. Er starb 1988 mit nur 58 Jahren. Da droht Legendenbildung.

Der Kanadier Robert Budreau, Autor und Regisseur des Spielfilms, hat mehrfach betont, es handele sich um kein Bio-Pic üblicher Art, keine traditionelle Film-Biografie. Tatsächlich hat er wenige Fakten mit viel Erfundenem montiert. Heraus gekommen ist ein reizvolles Puzzle, das sich zu einem widerspruchsreichen Porträt vereint. Verklärung bleibt aus. Chet Baker wird vor allem als Junkie gezeigt, als Mann, der nie gegen die Drogen, sondern immer nur um sie gekämpft hat, der sich eingeredet hat, er brauche die Stimulanz, um in die Töne hineinkriechen zu können.

Wenn Chet Baker Songs wie „My Funny Valentine“ oder „I Fall In Love Too Easily“ interpretiert hat, sollen die Fans nur so dahin geschmolzen sein. Das passiert nun im Kino, wenn Hauptdarsteller Ethan Hawke ins Mikro haucht und säuselt. Spielt er Trompete (er tut nur so, zu hören ist der Trompeter Kevin Turcotte), dann wirkt das angeschafft. Singt er aber, scheint er ganz eins mit dem von ihm verkörperten Charakter zu werden. Faszinierend. Das trifft auch zu auf seine Persönlichkeitsstudie: Chet Baker wird deutlich als ein Mann, der nicht lieben kann, weil er es nicht aushält, geliebt zu werden.

James Dean des Jazz“ wurde Chet Baker gern genannt. Die melancholische Filmerzählung lässt ahnen, wieso. Am Film ist besonders der Umgang mit der Zeit originell: Einblendungen in Schwarz-Weiß können Erinnerungen sein, aber auch Wahnvorstellungen, oder Szenen eines Films, dessen Dreh (den es in Wirklichkeit nie gegeben hat) in diesem Spielfilm eine wichtige Rolle spielt. Dabei wird die Musik nicht als „Sauce“ über alles gekippt. Sie treibt voran, kommentiert, lamentiert auch mal. Ab und an wird’s dabei sentimental, etwa wenn die Trompete im Gegenlicht schillert. Zum Glück ist das selten.

Zweifellos trägt Ethan Hawke den Film. Er zeigt hier eine seiner besten Leistungen, wenn nicht gar seine bisher beste: leise, oft in-sich-versunken, das Unstete des Charakters schon in der Körpersprache ausdrückend. Für Filmfans besonders interessant: einige Verbeugungen vor Meisterwerken des Kinos, wie Billy Wilders Drama „Das verlorene Wochenende“ aus dem Jahr 1945, bis heute eines der überzeugendsten Alkoholiker-Dramen in der Filmgeschichte. Robert Budreau zeigt in der eleganten Inszenierung, dass er ein Liebhaber guten Kinos ist. Dabei kopiert er nicht, sondern lässt sich klug inspirieren.

Peter Claus

Bilder:

Born to Be Blue, von Robert Budreau (Großbritannien / Kanada 2015)