Pubertät – ein im Kino geradezu schon ausgelutschtes Thema. Doch, Überraschung: die Auseinandersetzung damit kann sogar noch ein cineastisches Meisterwerk hervorbringen.
André Téchiné kommt ganz ohne Kitsch aus, ohne Sentimentalität, ohne Oberflächlichkeit. Beiläufig, lakonisch wird erzählt, dabei auch poetisch, subtil, gelegentlich gar ein wenig märchenhaft im Ton. Die Hauptfiguren sind Damien (Kacey Mottet Klein) und Thomas (Corentin Fila). Die Zwei gehen gemeinsam in eine Schulklasse, irgendwo in der Provinz, den Pyrenäen nah. Die beiden Teenager mögen einander nicht. Was erstmal schon an den sozialen Unterschieden liegt:
Damien wird von der Mama, der Ärztin Marianne (Sandrine Kiberlain), und dem Papa Nathan (Alexis Loret), Militär-Hubschrauber-Pilot im Auslandseinsatz, geliebt und betüttelt. Thomas wurde einst adoptiert. Er lebt auf einem Bauernhof. Und er fühlt sich nicht wirklich geliebt. Als seine Mutter Christine (Mamma Prassinos) schwanger wird, fühlt er sich nur noch als Belastung. Marianne lädt ihn daraufhin ein, bei ihr einzuziehen. Damit spart er sich tägliche stundenlange Wege aus den Bergen zur Schule und könnte neue soziale Kontakte knüpfen. Die beiden Jungs finden das erst einmal nur blöd. Es kommt zu Spannungen, auch zu Gewalt. Dazu gesellt sich die erwachende Sexualität der Zwei. Was alles noch komplizierter macht – aber auch neue Chancen eröffnet …
1994 hat André Téchiné in „Wilde Herzen“ sehr einfühlsam von der Pubertät erzählt. Fast ein Vierteljahrhundert später tut er’s noch einmal, und tut’s noch feiner, noch eleganter, auch elegischer allerdings. Das Drehbuch hat er gemeinsam mit Céline Sciamma entwickelt. Dieses Buch setzt ganz auf impressionistische Momentaufnahmen. Die von den hinreißend agierenden Schauspielern, durch die Kameraführung und die Inszenierung geradezu perfekt auf die Leinwand gebracht werden. Clou des Films ist die Spiegelung von sinnlichen, erotischen Erfahrungen und Momenten. Als Grundlage für all das seelische Flirren und Glitzern und Sprühen hat die Story einen (hier um der Spannung willen nicht verratenen) tragischen Aspekt. Das Glück, wie so oft, erwächst auch aus Furchtbarem.
Peter Claus
Bilder: Kool / Filmagentinnen | Salzgeber
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