Alice (Ariane Labed) arbeitet als Mechanikerin auf einem heruntergekommenen Containerschiff. Schnell ist klar: Sie ist auch hier, weil sie nach Justierung für ihr Leben sucht, nach Fixpunkten, nach eigenen Maßstäben und Haltungen. Das ist an sich nicht einfach, erst recht nicht in der Umgebung. Verkompliziert wird die Situation, weil Alice auf dem Schiff, der „Fidelio“, einen Kapitän als Vorgesetzten hat, mit dem sie einst mehr als nur gemeinsame Abend verband. Klar: alte Gefühle flammen erneut auf. Doch daheim ist der treue und treuherzige Geliebte …
Der französischen Schauspielerin Lucie Borleteau gelang ein bemerkenswertes Regiedebüt. Nicht nur, weil sie die Geschichte klug austariert und auf kreischende Effekte verzichtet, weil sie offenkundig gut in der Schauspielführung ist, auch, weil es ihr gelingt, Arbeitsalltag auf spannende Weise zu spiegeln. Entscheidende Tonfall: Melancholie. Man fühlt als Zuschauer auch, in welcher Schieflage sich die Protagonistin befindet. Die bekommt von Hauptdarstellerin Ariane Labed klug und einfühlsam Profil. Jede Geste wirkt authentisch, jedes Schweigen erzählt viel. Dafür bekam sie völlig zu Recht im Vorjahr in Locarno den Preis als beste Schauspielerin.
Fazit: Ein Film fern der heute gängigen Muster und, vor allem, fern jeglichen Lärms. Faszinierend.
Peter Claus
Bilder: © Film Kino Text
Alice und das Meer, von Lucie Borleteau (Frankreich 2015)
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