Wer die Nase voll hat von deutschen Komödien, die nichts als mit Fäkalhumor und Spießerwitz vollgepfropfte Klamotten sind, sollten sich diesen Debütfilm auf keinen Fall entgehen lassen. Wie jüngst die pointierte Genre-Parodie „Sex & Crime“ waltet auch hier Humor, der wirklich Humor ist, dazu Intelligenz und Herzenswärme. Beim diesjährigen Festival um den Max Ophüls Preis im Januar in Saarbrücken, der wichtigsten Tribüne des deutschsprachigen Nachwuchskinos, gab’s den begehrten Publikumspreis. Honoriert wurde von den Zuschauern wohl insbesondere, wie geschickt Komik, Spannung und Emotionalität miteinander verwoben sind. Es ist eine einzige Freude, wie klug hier Slapstick, Wortwitz, Spiegelung sozialer Realität und starke Gefühle ineinander und miteinander verwoben sind.
Hauptfigur der Story ist zunächst der smarte Mirko (Lucas Gregorowicz). Der Versicherungsmann in Schlips und Kragen schert sich keinen Deut um das Familienunternehmen, einen einst lukrativen, jetzt eher vor sich hin dümpelnden Schrottplatz. Doch er muss sich dafür interessieren. Denn der Vater ist gestorben. Und er hat Mirk und dessen Bruder Letscho (Frederick Lau) das Familienunternehmen vererbt. Auf den ersten Blick haben die Zwei nichts gemein: Mirko im feinen Zwirn, Letscho in Bomberjacke, Mirko allein von Geld beflügelt, Letscho von einer weltfremden Romantik, die den Schrottplatz zum Paradies hochjubelt. Letscho lässt sich von seinen Gefühlen leiten. Das heißt für ihn: der Platz muss bleiben. Mirko handelt rational. Er verkauft seinen Anteil an den regionalen Marktführer in Sachen Altmetallverwertung. Der schmierige Typ namens Kercher (Jan-Gregor Kemp) hat schon alle anderen kleinen Schrottplätze ringsum aufgekauft und kann deshalb einigen Gewinn einstreichen. Doch er und Mirko haben die Rechnung ohne Letscho und dessen erfindungsreichem Team gemacht. Ein Schrotthändler aus Leidenschaft bleibt, was er ist: Schrotthändler.
Es gibt sie kaum noch, die Schrotthändler alter Schule. Die Rationalisierung zum Zwecke der Profitoptimierung hat auch diesem Beruf weitestgehend das Aus beschert. Und, dem Umweltschutz sei Dank: es gibt auch weniger Schrott als etwa noch vor zwei, drei Jahrzehnten. Moderne Autos beispielsweise hinterlassen nach ihrem Ende kaum Verwertbares. Nun ist der Platz, um den’s hier geht, keiner für Autos. Hier wird Altmetall gesammelt. Schienen, Gartenzäune, Masten sind gefragt. Der Gewinn ist überschaubar. Doch, so die romantisierende Prämisse der Geschichte: Letscho & Co. geht es nicht ums Geld …
Der Film badet lustvoll in Klischees. Man kennt das alles: die ungleichen Brüdern, den Gegensatz von Arm und Reich, das Verloren-Sein zwischen Tradition und Moderne, den ewigen Kampf von Gut und Böse. Max Zähle jongliert damit voller Lust. Die Figuren sind prall, die Situationen stimmig, die Inszenierung charmant. Neben den bereits genannten Akteuren, die allesamt mit handfesten Charakterstudien voller geistiger und emotionaler Brüche fesseln, begeistern Anna Bederke, Lars Rudolph und Heiko Pinkowski. Sie gestalten fein gearbeitete kleine Rollen, gestalten dabei freundliche Menschenbilder. Freundlichkeit, ja, Womit wir beim A und O des Films sind: Menschenliebe, Freundlichkeit, Charme. Max Zähle beweist: Es gibt anderes zum Lachen als Zoten. Seine Komödie ist wirklich eine. Denn das Lachen (und Schmunzeln!) erwächst aus Tragischem, die Charaktere durchlaufen Entwicklungen, die Erzählung strotzt nur so vor Spannung. Und das Spiel mit Klischees kann manche Überraschung bereithalten …
Peter Claus
Bilder: © Port au Prince Pictures
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