Drama, Thriller – unter diesen Etiketten wird dieser Spielfilm gehandelt. Das ist durchaus berechtigt, und trifft doch so platt nicht wirklich zu. Die Romanadaption entzieht sich schnellen Einordnungen.
Der irische Regisseurs Lenny Abrahamson bietet ein vielschichtiges düsteres Märchen, einen Psychothriller, dazu ein Gesellschaftspanorama. Erzählt wird von einer jungen Frau. Sie lebt mit ihrem fünfjährigen Sohn in einem Schuppen, einer Garage. Die Welt draußen ist ihnen verschlossen. Sie sind Gefangene des Mannes, der Joy als 17-jährige entführt und sie immer wieder vergewaltigt hat. Sie wurde schwanger, gebar Jack, darf aber weiterhin kein eigenes Leben führen.
Das ließe sich prima als Reißer verkaufen. Doch Lenny Abrahamson konzentriert sich auf anderes. Er zeigt, wie sehr Joy, vom Sohn nur Ma genannt, versucht, ihrem Kind ein liebenswertes Zuhause zu geben. Sie erzählt ihm Geschichten, die ihre Situation als völlig normal darstellen. Doch der Junge glaubt ihr immer weniger. Das bringt sie dazu, an Flucht zu denken. Doch wie nur? Haben die Zwei auch nur die geringste Chance?
Ja, da erwächst erst einmal Spannung daraus, ob es Mutter und Sohn gelingt, dem Martyrium zu entkommen. Viel wichtiger jedoch ist, wie das Miteinander der Beiden nachvollziehbar wird – zwei Menschen, die extrem aufeinander angewiesen sind. Und das Nachsinnen darüber geht über die Story hinaus. Zudem ist es dann viel spannender, dabei zu sein, wenn Joy und Jack schließlich das Leben neu erlernen müssen …
Momente klassischen Kino-Horrors gibt es so gut wie keine. Lenny Abrahamson setzt vor allem auf das wirklich verblüffend intensive Spiel seiner Hauptdarsteller. Brie Larson, die aktuell mit dem „Oscar“ als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde, und Jacob Tremblay, der zur Zeit der Dreharbeiten acht Jahre war, leisten Enormes. In dem keineswegs von Friede, Freude, Eierkuchen geprägten Miteinander von Mutter und Sohn erreichen sie es, dass man als Kinobesucher meint, mit den Beiden eingeschlossen zu sein. Dadurch passiert das Entscheidende: Man beginnt, über sich selbst nachzudenken, darüber, wie weit man sein eigenes Leben wirklich selbst gestaltet.
Peter Claus
Raum, von Lenny Abrahams (Irland / Kanada 2015)
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