die luegen der sieger 680

Die große Zeit der Politthriller liegt nun auch schon eine Weile zurück. Hits wie Costa-Gavras’ „Z “ (1969), Alan J. Paulas „Zeuge einer Verschwörung“ (1974), Sydney Pollacks „Die drei Tage des Condor“ (1975) und John Schlesingers „Der Marathon-Mann“ (1976) aufwändige Hollywood-Produktionen voller Stars und Spannung, haben sämtlich etwa vier Jahrzehnte auf dem Buckel. Regisseur und Drehbuchmitautor Christoph Hochhäusler knüpft an die berühmten Vorbilder an, kopiert sie aber nicht, und er erweitert den Horizont des Nachdenkens. Musste er zwangsläufig, denn die einst übliche Schwarz-Weiß-Malerei taugt heutzutage nicht mehr.

Held der Story ist ein Journalist. Dieser Fabian Groys (Florian David Fitz) arbeitet bei einem in Berlin erscheinenden Magazin. Zusammen mit der, alles andere als unbedarften, Praktikantin Nadja (Lilith Stangeberg) stößt er auf einen Skandal und landet damit auf dem gefährlichen Parkett der Politik … – Das alles klingt nach dem, was die bereits genannten Filme vor vier Jahrzehnten geboten haben. Nur: sie agierten in einer territorial überschaubaren Welt, kannten keine globalen Überwachungssysteme, wussten nichts von internationalem Terrorismus. Damals hatte das Böse immer auch ein Gesicht, konnte an einzelnen Personen ausgemacht werden.

Der von Florian David Fitz mit Charme und Karrieregeilheit gezeichnete Fabian agiert in einem unüberschaubaren Dschungel. Dabei steht seine Ohnmacht – und damit die Ohnmacht der Presse an sich – stellvertretend für die Ohnmacht jedes Einzelnen, egal in welchem Beruf, gegenüber dem, was er als Apparat der Herrschenden empfindet. Wobei viele Details dieses Apparats verborgen sind. Die Ungewissheit im Banne einer vermeintlichen oder wirklichen totalen Kontrolle des Alltags durch die, denen genau dieser Alltag vor allem als Markt, als Profitlieferant, dienen soll, gibt dem ganzen Film eine Atmosphäre ständiger Bedrohung. Allüberall herrscht ein vages Unbehagen, nicht wirklich zu fassen, aber zweifelsfrei da. Rasante Schnitte und Wechsel der Erzählperspektiven übertragen das Gefühl der lauernden Angst direkt in den Kinosaal.

Großes Plus des Films: Mit der Story wird nicht platt gegen „die da oben“ gewettert. Es wird versucht, Mechanismen der unheilvollen Verstrickung von Industrie und Politik zu betrachten. Zudem wird auch darüber nachgedacht, wie leicht scheinbar aufklärerischer Journalismus sich in den Fallstricken zwischen Banken, Konzernen und Parlamenten verheddern, und sogar zum verlängerten Arm genau derer werden kann, gegen die der einzelne Reporter ehrenvoll (und, klar, ehrgeizig!) vorgehen möchte. Das mündet nicht in ein rosiges Happy End, aber auch nicht in Fatalismus. Hochhäusler lässt der Hoffnung Raum, dass schlichte Menschlichkeit triumphieren kann. Vielleicht, eventuell, wenn es den Strippenziehern des Turbokapitalismus‘ in den Kram passt. Schließlich lässt sich ja auch mit Menschlichkeit Geld verdienen.

Peter Claus

Bilder:

Die Lügen der Sieger, von Christoph Hochhäusler   (Deutschland 2015)