Cineasten kennen den Titel dieses filmischen Essays. Er wurde nämlich angeregt von dem Buch gleichen Titels aus dem Jahr 1947. Darin veröffentlichte der damals weltberühmte Kulturjournalist, Philosoph und Filmtheoretiker Siegfried Kracauer (1889 bis 1966) eine psychologische Geschichte des deutschen Kinos der Weimarer Republik. Seine wesentliche These: In vielen der Filme lässt sich bereits das drohende Unheil des Faschismus’ erkennen, haben sich die Autoren und Regisseure, berühmte wie Fritz Lang und Ernst Lubitsch und weniger berühmte wie Werner Hochbaum, als Visionäre erwiesen. Autor und Regisseur Rüdiger Suchsland untermauert Kracauers Ansichten durch Ausschnitte aus vielen Filmen der Zeit zwischen Ende des Ersten Weltkriegs und Beginn der Hitler-Herrschaft. Dazu stellt er, ganz unaufgeregt, vor allem die Frage, was aus dem deutschen Film hätte werden können, wenn die Nazis die Juden nicht vertrieben und die meisten von ihnen ermordet hätten.
Für alle, die das Kino lieben und die sich für dessen Geschichte interessieren, ist es ein enormes Vergnügen, die exzellent restaurierten Filmausschnitte zu sehen. Die psychologisierenden Kommentare von Rüdiger Suchsland, die nahezu ununterbrochen zu hören sind, fordern allerdings ein Höchstmaß an Konzentration. Hier wäre weniger mehr gewesen. Wer sich durch diesen Film erstmals mit der Thematik befasst, ist rasch überfordert. Interessanterweise erwies sich der Essay bei dem noch bis Sonntag laufenden 14. Festival des deutschen Films in Australien, dem größten Festival des deutschen Films weltweit, als einer der Hits. Vom Publikum dort, so war den Diskussionen zu entnehmen, wurde der Film auf die Frage bezogen, ob die Deutschen heutzutage, nach der Nazi-Diktatur und nach der Teilung in zwei Staaten, überhaupt noch so etwas wie eine kulturelle Identität besitzen, und, davon ausgehend, wie weit das Kino die Findung eines nationalen Selbstbewusstseins befördern kann. Sich darauf konzentrierend, ist der Film nicht nur für Liebhaber des Kinos ein Gewinn. Suchsland gelingt es nämlich, über das Gestern auf die Gegenwart des Kinos (und der Gesellschaft) zu blicken.
Peter Claus
Bilder: LOOKS Filmproduktionen
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