Margaret Keane, Malerin, Jahrgang 1927, lebt heute im US-Bundesstaat Kalifornien. Filmfans ist sie durch ein berühmtes Porträt der Diva Joan Crawford bekannt. Das entstand vor mehr als einem halben Jahrhundert. Keane malt noch immer. Der Erfolg ist ihr treu geblieben. Auf ihrer Internet-Seite wirbt sie für die in den USA seit einigen Tagen zu habende DVD des neuen Tim-Burton-Films der einen Teil ihres Lebens reflektiert. Mit Zustimmung muss das nichts zu tun haben. Die Künstlerin hat gelernt, sich zu behaupten. Sie hat sich eine Beteiligung an den Einnahmen gesichert. Ob die sehr hoch ausfallen bleibt abzuwarten. Denn so stark Amy Adams Darstellung von Margaret Keane ist, so sehr stört ihr Partner, Christoph Waltz. Ja, er macht den Film regelrecht kaputt.
Es ist ja so: Große Schauspielstars stellen in jeder Rolle vor allem eines dar – sich selbst. Cary Grant, John Wayne, Clark Gable sind berühmte Beispiele. Die es auch in Deutschland gab und gibt. O. W. Fischer war immer O. W. Fischer, Til Schweiger ist stets Til Schweiger. Das kann sehr reizvoll sein. Doch mitunter erweist sich das auch als Falle. Und in die sind Regisseur Tim Burton und sein Hauptdarsteller Christoph Waltz nun geraten.
Waltz verkörpert hier den US-Amerikaner Walter Keane (1915 – 2000). Berühmt wurde er, weil er sich über viele Jahre erfolgreich als Urheber von Bildern, vor allem Porträts von Kindern, ausgegeben hat, die in Wahrheit von seiner Frau Margaret (Amy Adams) geschaffen worden waren. Markenzeichen: große Augen, big eyes. Ein Riesengeschäft. Schwierigkeiten gab es erst als Margaret aufmuckte. So kurz, so spannend. Christoph Waltz’ Darstellung mangelt es bedauerlicherweise an Spannung. Er spielt nichts als Christoph Waltz. Alle Manierismen, die der zweifache „Oscar“-Preisträger in den letzten Jahren kultiviert hat, sprudeln nur so: Grinsen, Holzhammer-Humor, grobe Ironisierung. Damit reißt Waltz weite Strecken des Films derart an sich, dass man sich von dem exaltierten Furor geradezu erschlagen fühlt. Tim Burton, Liebhaber außergewöhnlicher, sehr individueller Schauspieler, hätte eingreifen und die Spielwut seines Stars dämpfen müssen. Denn durch die Omnipräsenz des Deutsch-Österreichers gerät das Eigentliche, die 1958 beginnende Geschichte einer Frau, die sich viel zu lange von einem Mann klein halten lässt, ins Hintertreffen. Dabei zeigt Amy Adams, die bereits fünf Mal für den „Oscar“ nominiert war, erneut ihre Klasse. Sie zeichnet Margaret als Person, der es alles andere als leicht fällt, sich im Leben zu behaupten. In ihrer Kunst spiegelt sie immer wieder den eigenen kindlich-unschuldigen Blick auf eine Welt, deren Regeln ihr Rätsel aufgeben. Amy Adams zeigt Margaret aber nicht als Dummchen. Sie porträtiert die Künstlerin mit vielen Farbschattierungen, dabei nie dick auftragend, stets der Fragilität des Charakters der Protagonistin entsprechend. Es wirkt so, als lebe sie völlig selbstverständlich in den 1960er Jahren, die hier so aussehen, als kämen Doris Day und Rock Hudson gleich quietschvergnügt turtelnd um die Ecke. Margaret aber ist alles andere als vergnügt. Mehr und mehr entwickelt sich die empfindsame Künstlerseele zur gequälten Kreatur. Gelegentlich möchte man in den Film springen und Amy Adams beschützen, vor allem vor Christoph Waltz mit seiner Selbstdarstellungswut.
Das Autoren-Duo Scott Alexander und Larry Karaszewski, das schon einige Lebensgeschichten sehr erfolgreich für die Leinwand bearbeitet hat, etwa „Ed Wood“ und „Larry Flynt“, wollte den Film selbst inszenieren. Jahrelang gingen die zwei in Hollywood von Produzent zu Produzent. Doch niemand gab ihnen das nötige Vertrauen und Geld. Erst als Tim Burton („Dark Shadows“) und auch Christoph Waltz Interesse zeigten gab es grünes Licht und den notwendigen Mammon. Die beiden gelten als Freunde. Mag sein, dass es Burton deshalb an notwendiger kritischer Distanz zu Waltz mangelte. Immerhin, ein wenig ausgleichende Gerechtigkeit gab’s bereits: Amy Adams bekam einen Golden Globe für ihr Spiel. Die Herren gingen leer aus. Zu Recht. Waltz spreizt sich einfach viel zu sehr in dem für ihn falschen Film. Und Tim Burton verschenkt die Möglichkeiten des Stoffes, etwa eine spannende Auseinandersetzung mit dem falschen Schein der Kunstwelt, an grobe Witzchen-Routine. Man verlässt das Kino verstimmt und hofft, dass Amy Adams bald wieder Gelegenheit hat zu brillieren, ohne dass Regie und Schauspielpartner sie verraten.
Peter Claus
Bilder: © StudioCanal
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