In der Rolle der Regisseurin greift Schauspielerin Angelina Jolie wieder zum Thema Krieg. War es 2012 im ersten abendfüllenden Spielfilm, „In the Land of Blood and Honey“, der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien, blickt ihr zweiter Spielfilm auf Schrecken des Zweiten Weltkriegs.
Im Zentrum des Films steht Louis Zamperini (als Erwachsener von Jack O’Connell verkörpert). Ihn gab es wirklich. Er starb im Vorjahr mit 97 Jahren. Zamperini gehörte 1936 bei den Olympischen Spielen in Berlin zum Athleten-Aufgebot der USA. Während einer Runde des 5000-Meter-Laufs hat er eine unglaubliche Schnelligkeit gezeigt und wurde damit zu einem der populären Olympia-Teilnehmer. Selbst Adolf Hitler hat ihm persönlich gratuliert. Doch die Sportlerlaufbahn wird vom Zweiten Weltkrieg abrupt gestoppt. Louis geht zur Luftwaffe. Sein Flugzeug wird abgeschossen. Er und zwei Freunde überleben. Sie treiben wochenlang im Meer. Zwei überstehen das. Doch es kommt Louis in einem japanischen Kriegsgefangenenlager. Hier erlebt er die Hölle auf Erden. Er wird nämlich von Kommandant Watanabe (Takamasa Ishihara) zum Objekt von Gewaltfantasien auserkoren und entsetzlich sadistischen Qualen ausgesetzt. Doch Zamperini kommt durch.
Wieder setzt Regisseurin Jolie auf ausufernde Darstellungen von Brutalitäten, um ein Höchstmaß an Wirkung zu erreichen. Dabei übertreibt sie leider. Sie zeigt zu viel. Die Szenen erschlagen einander. Dadurch verpufft die beabsichtigte Wirkung. Und, das ist fatal, die Überzeichnung der Gewalt lässt einen als Zuschauer abstumpfen. Man langweilt sich.
Die Zamperini-Biografie „Unbeugsam: eine wahre Geschichte von Widerstandskraft und Überlebenskampf“ von Laura Hillenbrand (2010 in den USA und im Jahr darauf in Deutschland erschienen) hat dem Film als Anregung gedient. Als dessen Drehbuch-Autoren werden neben anderen die Coen-Brüder („Fargo“) genannt. Sie zeigen Zamperini in Momentaufnahmen aus dessen Kindheit (hier von C. J. Valleroy verkörpert) bereits in jungen Jahren als kraftstrotzenden Kerl, den nichts umhauen kann. Der Junge, der immer wieder aufsteht, kennt auch als Mann keine Schwäche. Das ist die große Schwäche des Films: Der Hauptcharakter wird viel zu glatt gezeigt. Er spiegelt die Pein in seinem Gesicht und in seinem Körper – doch was ihn in seinem Inneren bewegt, was ihn aufrecht hält, wird nicht deutlich. Zamperini wird nur als Typ erkennbar, der von stärkstem Durchhaltewillen geprägt ist, als physisch besonderer Mann. Welche psychische Kraft er hat und woher er sie bezihet, wird nicht erzählt. Das beraubt die Geschichte um eine mögliche Tiefe. Wie schon bei „In the Land of Blood and Honey“ ist klar: Angelina Jolie kann inszenieren, sie kennt ihr Handwerk. Und sie kennt das Kino. Kino-Klassiker wie „Im Westen nichts Neues“, „Die Brücke am Kwai“ und „Merry Christmas, Mr. Lawrence“ hat sie vermutlich gesehen, gelegentlich glaubt man sogar, sie zitiere aus den Meisterwerken. Nur bleibt’s da bei Äußerlichkeiten. Gedanklich bleibt wie weit hinter den möglichen Vorbildern zurück.
Optisch ist der Film brillant. Kameramann Roger Deakins, der bisher elf Mal für einen „Oscar“ nominierte Engländer, der bereits Hits wie „ No Country for Old Men“, „Der Vorleser“ und „Skyfall“ fotografiert hat, bietet üppige Bildkompositionen. Ob in Totalen oder Nahaufnahmen, stets zeigt er das Leid des Langstreckenläufers mit höchstmöglichem äußeren Effekt. Unterstützt von exzellenten Ausstattern, gelingt es Deakins tatsächlich, die Illusion zu erwecken, in die Vergangenheit einzutauchen. Jack O’Connell, macht, ob athletisch oder abgemagert, durchweg eine gute Figur. Doch weil ihm das Drehbuch und die Regie keine Chance gaben, die menschlichen Dimensionen der Figur auszuloten, wirkt er lediglich Typ, kann keinen Charakter formen, keinen Menschen, der einem nahe kommt.
Louis Zamperini selbst trat nach seiner Rückkehr aus Japan in die USA in Gefolgschaft des Erweckungspredigers Billy Graham vielfach als Redner auf. In seinen Reden befasst er sich oft mit dem Thema „Vergebung“. Angelina Jolie hat das offenbar nicht interessiert. Ihr filmischer Langstreckenlauf endet, bevor der Held auch nur einen Moment Zeit hat, über sich selbst und sein Heldentum nachzudenken. Leider hat das Publikum nach Ende des Films auch nichts mehr, worüber ein Nachdenken wirklich lohnt.
Peter Claus
Bilder: Universal
Unbroken, von Angelina Jolie (USA 2013)
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