Ein Augenschmaus!
Regie-Altmeister Mike Leigh feiert die Lust am Sehen. Ausgangspunkt ist das Leben des Malers William Turner (Timothy Spall) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Landschaftsmalerei ist sein ein und alles. Dazu gehört das Reisen, gern auch mal in ein Bordell oder zum mehr oder weniger vermögenden Landadel. Turner hat seine Form von Freiheit gefunden. Was ihn nicht gerade zu einem umgänglichen Mann hat werden lassen. Man könnte ihn einen Großkotz nennen. Auch einen Egomanen. Das bekommt vor allem Hannah (Dorothy Atkinson) schmerzlich zu spüren, seine Haushälterin. Er ist ihre große Liebe, sie ist für ihn nur ein Werkzeug, eine Hilfskraft. Er glaubt, dass er niemanden braucht. Doch dann stirbt sein Vater. Und plötzlich sieht das Leben ganz anders aus.
Ein Film fern der Konventionen. Leigh hetzt nicht von Lebensstation zu Lebensstation, sondern von emotionalem Wirbelwind zu emotionalem Wirbelwind. Kameramann Dick Pope setzt dabei nicht auf hektische Bilder. Ganz im Gegenteil. In berückend-schönen Arrangements, die oft wie Gemälde anmuten, fängt er das Auf und Ab der Gefühle ein. Das von Timothy Spell mit kraftstrotzendem Spiel gestützt wird. Vielfach fällt das Adjektiv „oscarreif“. Tatsächlich hat er alle Schauspiel-Ehren für diese Leistung verdient. Denn er denunziert die Figur nie, um sie dann durch freundliche Schlaglichter aufzuhellen, sondern zeigt durchweg das Düstere und das Leuchtende im Zusammenklang.
Für Klasse sorgt dazu Leighs scheinbar ganz leichte Hand, wenn er die soziale Realität der Handlungszeit scheinbar nebenbei spiegelt. Damit gelingt ein Künstlerporträt, das zum Gesellschaftspanorama reift. Da bleibt einem nach dem Verlassen des Kinos so einiges im Sinn. Und es bleiben die Bilder. Man möchte sofort in die nächste Turner-Ausstellung gehen.
Peter Claus
Mr. Turner – Meister des Lichts, von Mike Leigh (Großbritannien 2014)
Bilder: Prokino Filmverleih
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