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Nicht nur die Anhänger der Brüder Dardenne dürften begeistert sein. Ein wirkliches Kino-Kleinod!

Erzählt wird eine einfache Geschichte: Sandra (Marion Cotillard) droht der Jobverlust. Nur wenn die anderen Mitarbeiter der kleinen Firma, bereit sind, auf eine Prämie von 1000 Euro zu verzichten, kann sie bleiben. Eine Abstimmung fiel gegen sie aus. Der Geschäftsführer aber gibt ihr eine zweite Chance: Gelingt es ihr, an einem Wochenende, die anderen umzustimmen, ist ihr Arbeitsplatz gerettet.

Wie oft wird sie beschworen, die Kraft der Schwachen. Und wie oft sieht das nach einem Märchen aus, nach dem Herbeireden von Hoffnung auf Solidarität. Nichts davon in diesem Film. Realismus ist angesagt. Die, die gegen Sandra votiert haben, sind selbst arme Schweine. Die zwei_320kleine Geldsumme extra ist für sie von existenzieller Größe. Wie also soll das ausgehen?

Diese Frage stellt der Film mit Blick auf die so genannte Leistungsgesellschaft. Wo führt sie hin, was ist das Ziel, wer bewahrt den Menschen die Menschlichkeit? Der Fragenradius ist enorm. Die Antworten, die der Film gibt sind nicht gefällig. Das macht seine Kraft aus. Hier wird nicht geschwobelt und geschwiebelt, hier wird Tacheles geredet.

Die Dardennes erzählen mit Gespür für Spannung. Das Sozialdrama kommt geradezu als Krimi daher. Marion Cotillard trägt die Erzählung mit ihrem unangepassten Charme, geradezu ununterbrochen von der sehr agilen Kamera begleitet. Da wird körperlich spürbar, wie die „Kraft der Schwachen“ unter dem Druck globaler Profitgier bröckeln muss – und dass der alte Proletarierslogan „Einigkeit macht stark!“ längst von denen beherzigt wird, die den Proletariern das letzte Hemd unterm wunden Hintern wegziehen.

Wenn man aus dem Kino kommt, reibt man sich übrigens verwundert die Augen: Man hat einen sozialkritischen Film von höchstem Anspruch gesehen, ein Pamphlet wider die Unmenschlichkeit des Kapitals, und man fühlt sich nicht agitiert oder belehrt, denn man hat handfestes Kino genossen. Unbedingt ansehen!

Peter Claus

Zwei Tage, eine Nacht, von Jean-Pierre und Luc Dardenne (Frankreich/ Belgien/ Italien 2014)

Bilder: Alamode Film