Schiller, der Schwärmer, nun also Sexmaniac?
Ganz so heftig wird es nicht. Romantisches Revoluzzern paart sich mit erotischer Emanzipation. Regisseur Dominik Graf setzt dabei auf Eleganz und Delikatesse. Was ihm schon mal jede Menge Sympathiepunkte einbringt!
Der deutsche Dichter wird auch vorgestellt, durchaus, jedoch nicht auf den üblichen Sockel gehoben. Friedrich wird als Twen vorgestellt, einer, der es faustdick hinter den Ohren hat. Die Schwestern Caroline und Charlotte von Lengefeld verdrehen ihm den Kopf – und er ihnen. Eine Katastrophe? Keine Spur! Die Drei stürzen sich in eine wohlige Ménage-à-trois. Die Lust regiert, wobei Schmerz und Schatten nicht außer Acht gelassen werden.
Dominik Graf und seine luftig agierenden Schauspieler schaffen es, dass man meint, selbst gern Ende des 18. Jahrhunderts gelebt zu haben. Frei wirken die Geister, stürmisch die Leidenschaften. Der Lebensgier scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Wie moralinsauer wirkt dagegen unsere Zeit hier und heute! Die Frauen damals! Sie nahmen sich wohl was sie wollten! – Sicher: Gerade in diesem Punkt idealisiert der Film. Aber, warum nicht, bitteschön?! Es ist Kino! Und Graf bedient die Lust am Kino mit funkensprühender Verve.
In seinen schönsten Momenten glüht der Film geradezu vor Energie. Das ist in hohem Maße auch und vor allem den Akteuren zu danken, insbesondere Hannah Herzsprung und Henriette Confurius in den Rollen der Schwestern. Die Zwei sind derart präsent und wirken so ungemein lebensprall, dass Florian Stetter dagegen verblasst. Sein Schiller prägt sich vor allem als Heulsuse ein. Dominik Graf, Kind einer Zeit in der die Frauenbefreiung erfreulicherweise viele Siege errungen hat, hätte dem Dichter ein paar kraftvolle Züge mehr durchaus gewähren dürfen. Es fällt nicht zum ersten Mal auf, dass Graf ein „Frauen-Regisseur“ ist. Doch genug des Mäkelns! Der Film macht ungeheuren Spaß, ist sinnlich, und lässt einen auch mal wieder ins Bücherregal greifen, unter „S“, wie Schiller.
Peter Claus
Bilder: Senator
Die geliebten Schwestern, von Dominik Graf (Deutschland 2014)
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