Eine der Entdeckungen des letzten Filmfestivals Venedig: „Harry Potter“-Star Daniel Radcliffe kann mehr als den Zauberlehrling mimen. Und es ist nicht das erste Mal, dass er dies beweist. In diesem auf Tatsachen beruhenden Spielfilmerstling des Regisseurs, Autors und Produzenten John Krokidas verkörpert der jetzt 24-jährige Radcliffe den legendären Allen Ginsberg (1926 – 1997). Mitte der 1950er Jahre wird der mit dem Gedicht „Howl“ weltbekannt. Doch die Geschichte des Films spielt etwa ein Jahrzehnt davor, Mitte der 1940er. Es ist eine Geschichte, die es in sich hat – und die auch noch auf Tatsachen basiert.
Ginsberg ist hier der Provinzler, der New York erobern will. Das gelingt ihm als einer der Protagonisten der sogenannten „Beat Generation“. Mit seinen später ebenfalls berühmten Freunden William S. Burroughs (Ben Foster) und Jack Kerouac (Jack Huston) gerät er aber erst einmal in ein Netz tödlicher Leidenschaften. Die spannende Story beginnt damit, dass sich der junge Ginsberg 1944 von seinen Eltern (David Cross und Jennifer Jason Leigh) abnabelt. Er geht zum Literaturstudium an die Columbia Universität. Durch seinen rebellischen Kommilitonen Lucien Carr (Dane DeHaan) kommt er in den Diskussionszirkel des Ex-Professors David Kammerer (Michael C. Hall) und damit in eine ihm fremde Welt geistiger Freiheit. Zudem tun sich ihm bisher eher fremde erotische Welten auf: Kammerer ist eindeutig in Carr verschossen. Und es sieht alles danach aus, als „bezahle“ Carr Kammerers Hilfeleistungen mit sexuellen Diensten. Doch ganz sicher ist das nicht. Ginsberg jedenfalls ist sich in nicht (und niemandem) sicher. Gemeinsam mit William S. Burroughs (Ben Foster), der einmal mit „Naked Lunch“ berühmt werden wird, und mit Jack Kerouac (Jack Huston), dessen „On the Road“ um die Welt gehen wird, strebt Ginsberg dem literarischen Ruhm entgegen. Doch der Preis ist hoch: eine Bluttat. Und niemand will Schuld auf sich nehmen.
Die Besetzung Ginsbergs mit Daniel Radcliffe ist ein kluger Schachzug. Der populäre Jung-Star dürfte auch Zuschauer anlocken, die sich nicht die Bohne um die „Beat Generation“ scheren. Die für Leseratten noch heute Kultstatus hat. Wer hat nicht zumindest mit „On the Road“ ein Großteil der eigenen Pubertät durchgestanden?
Das Ende der Pubertät – so etwa ließe sich das entscheidende Thema des Films umreißen. Ein Ende, das mancher gern hinauszögern möchte. Was tödliche Folgen zeitigen kann. Die der Film zeigt. Dabei wird er nicht zu einem Blick durchs Schlüsselloch der Literaturhistorie. Dicht in der Atmosphäre, glaubwürdig gespielt, schlüssig in den dramaturgischen Wendungen, wird der Film vor allem zum Bild einer Zeit der Hoffnung, der Hoffnung auf neue Möglichkeiten der Entfaltung des Einzelnen in der Gesellschaft. Doch der Film zeigt: die Grenzen waren und sind immer da. Und es ist das Geld, das die Grenzen setzt.
Peter Claus
Kill Your Darlings – Junge Wilde, von John Krokidas (USA 2013)
Bilder: Koch Media (Neue Visionen)
- „Rosenmontag For Future“ Oder: Lachen schult das freie Denken - 9. Februar 2020
- Thilo Wydra: Hitchcock´s Blondes - 15. Dezember 2019
- Junges Schauspiel am D’haus: „Antigone“ von Sophokles - 10. November 2019
Schreibe einen Kommentar