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Internet, digitale Kontrolle, Globalität – Stichworte, die einen heutzutage eher frösteln lassen, als dass sie einem Wonneschauer über den Rücken jagen. Nach Ansicht dieses Films ändert sich daran nichts, im Gegenteil. Regisseur Ari Folman erzählt mit formaler Raffinesse davon, welche Auswirklungen hinter den genannten Stichworten stecken können.

congress_320_2Vor fünf Jahren wurde Folman für „Waltz with Bashir“ mit Preisen, etwa dem Golden Globe, geradezu überschüttet. War das ein dunkler Rückblick auf eigenes Erleben, wagt er dieses Mal einen Ausblick. Folman bietet eine höchst düstere Zukunftsvision. Angesiedelt ist sie ausgerechnet im grellen Milieu des Showgeschäfts. Da verkauft Hollywood-Star Robin Wright (gespielt von Robin Wright) dem Satan ihre Seele: In der Traumfabrik kaum mehr gefragt, lässt sie sich für viel Geld, das sie für ihren schwerkranken Sohn braucht, vom Studio Miramount komplett einscannen. Das Studio kann ihren Körper und ihr Gesicht nun nach Belieben vermarkten. Sie selbst darf allerdings nie wieder in persona in einem Film, einer TV-Show oder auf einer Bühne auftreten. Zwanzig Jahre nach Abschluss des diabolischen Vertrages kommt „Robin Wright“, deren digitale Variante enormen Starruhm genießt, zu einem Kongress. Marilyn Monroe ist ebenfalls da, auch John Wayne, Michael Jackson… Robin erkennt, dass sie Gefangene einer Welt der Drogen, Halluzinationen und virtuell erzeugten Schein-Realitäten ist. Doch sie hat zwar ihre Persönlichkeit eingebüßt, nicht aber ihre Fähigkeit zum Denken, nicht ihre wahren Emotionen. Zwangsläufig taucht die Frage auf, ob ein Ausbruch aus der Hölle möglich ist.

Die Schauspielerin Robin Wright (die sich zeitweise Robin Wright Penn nannte) wurde 1994 mit der Rolle der Jenny in „Forrest Gump“ weit über die USA hinaus als exzellente Charakterinterpretin bekannt. Danach hat sie mehrfach ihr großes Talent für außergewöhnliche Figurengestaltungen bewiesen, zum Beispiel 1999 in „Message in  a Bottle“ neben Kevin Costner und zehn Jahre später in „Pippa Lee“ an der Seite von Alan Arkin. Doch der ganz große Ruhm stellte sich nie ein. Mehr Schlagzeilen als die Filme brachten ihr der Verlauf der 1997 mit Sean Penn geschlossenen Ehe und die 2010 bekannt gewordene Trennung vom Kollegen und Vater congress_320_3ihrer zwei Kinder ein. Da ist es schon mutig, die Distanz zwischen sich selbst und einer Rolle so weit aufzugeben, wie es Robin Wright als „Robin Wright“ mit diesem Film tut. In einer Schlüsselszene, relativ zu Beginn der Handlung, sitzt die Aktrice ihrem Agenten (eindringlich verkörpert von Harvey Keitel) gegenüber. Wenn er die Künstlerin anbrüllt, wie und warum sie ihre Karriere verspielt habe, verschwimmen die Grenzen von Fiktion und Realität auf geradezu beängstigende Weise. Wie in „Waltz with Bashir“ setzt Ari Folman auf eine ausgeklügelte Trickfilmtechnik. Doch anders als bei seinem polithistorisch überaus spannenden und aufschlussreichen Welterfolg aus dem Jahr 2008 stellt sich trotz der überragenden Robin Wright und der brillant gezeichneten Science-Fiction-Welt keine vergleichbar starke Wirkung ein. Das liegt sicherlich daran, dass die Story dieses Mal auf den ersten Blick politisch weniger brisant ist. Ein zweiter Grund dürfte sein, dass Folman seine Phantasie kaum gezügelt hat und deshalb alle Ebenen des Films, je länger er dauert, weniger und weniger zu erfassen sind. Action, Philosophie, Medien- und Konsumkritik überlagern sich in zu starkem Maße. Dazu anregen ließ sich Ari Folman vom Roman „Der futurologische Kongress“ des polnischen Bestsellerautors Stanisław Lem. Dessen Markenzeichen war es, Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen in groteske Geschichten zu verpacken. 1970 geschrieben, ist der Roman selbstverständlich auch eine Spiegelung des Alltags im damals real existierenden Sozialismus. Dieser Aspekt hat Ari Folman naturgemäß nicht interessiert. So musste er Lems grimmigen Humor ignorieren. Was bleibt, ist eine bleischwere Traurigkeit. Das ist wirkungsvoll. Aber es hat auch etwas Trockenes. Etwas mehr bissiger Witz hätte dem Film durchaus gut getan.

Peter Claus

The Congress, von Ari Folman (Israel/ Deutschland/ Polen/ Luxemburg/ Frankreich/ Belgien 2013)

Bilder: Pandora