Der Titel lässt es ahnen: es geht um Bauchtanz. Doch es geht um mehr als eine oberflächliche Bebilderung dieser Kunst. Regisseurin Carolin Genreith beobachtet nämlich die Bauchtanz-Lust ihrer Mutter (und einiger von deren Freundinnen), um sich mit Fragen der Identitäs- und Sinnsuche auseinanderzusetzen.
Man merkt dem Film an, dass Carolin Genreith an das Projekt mit einigen Vorurteilen heran gegangen ist: Leben in der Provinz = doof, Altern = Verlust aller Lebensfreude. Vor allem diese zwei Prämissen hatte sie vor Beginn des Drehs. Doch siehe da: Ihre Mutter und die anderen Frauen genießen ihr Dasein und strotzen nur so vor Lust. Es ist schön, dass die Regisseurin ihre eigene Eigenstellung vor der Auseinandersetzung mit ihren Protagonistinnen nicht verschämt verleugnet, sondern auch den Wandel in ihrem Denken miterzählt.
Der Film ist witzig, ohne platt zu sein. Dabei lacht das Publikum immer mit den Protagonistinnen. Freilich fragt man sich nach einiger Zeit im Banne von dauerndem Friede-Freude-Eierkuchen-Wohlgefühl dann doch, ob die junge Regisseurin sich nicht ein wenig hat übertölpeln lassen. Dass Menschen gar keine Probleme mit diesem oder jenem haben sollen, man kann’s kaum glauben. Allerdings geht die Kamera (geführt von Philipp Baben) wirklich hautnah an die Frauen heran, hält in Interviewsequenzen gnadenlos drauf. Und da ist dann ein Leuchten in den Gesichtern zu entdecken, dass alles andere als angeschafft wirkt. Wenn Carolin Genreith sich dann fragt, warum erschreckend viele Frauen ihrer Generation unerfüllt und vergnatzt wirken, hat man den Eindruck, dass der Mut dazu, die eigenen Bedürfnisse auszuleben, bei den Jüngeren mehr und mehr verloren geht. Und man wünscht den Töchtern, dass sie es lernen, eine ähnliche Energie wie ihre Mütter zu entwickeln.
In einigen Rezensionen ist zu lesen, dies sei ein Film für Frauen. Für mich ist das eine merkwürdige, ja, fragwürdige, Behauptung. Denn der Film handelt davon, wie es möglich sein kann, sich selbst Vergnügen am Leben zu schenken. Und das ist ja wohl für Männer genauso wichtig und spannend wie für Frauen.
Peter Claus
Die mit dem Bauch tanzen, von Carolin Genreith (Deutschland 2012)
Bilder: Zorro Film
- „Rosenmontag For Future“ Oder: Lachen schult das freie Denken - 9. Februar 2020
- Thilo Wydra: Hitchcock´s Blondes - 15. Dezember 2019
- Junges Schauspiel am D’haus: „Antigone“ von Sophokles - 10. November 2019
Schreibe einen Kommentar