Helden mit Humor – das war in den letzten Jahren überwiegend das Motto bei Comic-Adaptionen in Hollywood. Die neue Kino-Story um Supermann Clark Kent (Henry Cavill) wartet diesbezüglich mit einer Überraschung auf: sie wird voller wuchtigem Ernst erzählt, Ironie bleibt aus. Das Action-Spektakel setzt auf Pathos. Clark muss schließlich sich selbst und damit die Welt vom intergalaktischen Schurken Zod (Michael Shannon) befreien. Er ist zu Heldentum verurteilt. Regisseur Zack Snyder, der seit „300“ (2006) als Gallionsfigur grusliger Gemetzel gilt, hat das lustvoll arrangiert und offeriert Budenzauber der raffinierten Art.
Das Drehbuch stammt von David S. Goyer und Christopher Nolan. Sie haben schon die Bücher zu der unter Nolans Regie gedrehten Batman-Trilogie verfasst. Das Duo lieferte dem Regisseur eine 1A-Vorlage für seinen Action-Knaller. Wissend, dass die Krach-Bumm-Zisch-Effekte nur dann richtig zur Geltung kommen, wenn wohl dosiert, haben sie auch für einige Momente seelenvollen Friedens gesorgt. Da dürfen dann Russell Crowe in der Rolle von Clarks wirklichem Vater vom fernen Planeten Krypton, Diane Lane sowie Kevin Costner als irdische Ersatzeltern und Amy Adams als Journalistin Lois Lane ihr ganzes schauspielerisches Können einsetzen. Auch Henry Cavill, der den Clark Kent mit stoischer Selbstsicherheit verkörpert, wurden einige Augenblicke der Besinnung gegönnt. In den Zwischenspielen stellen sich die Figuren genau jene Fragen nach dem Sinn des Lebens, die jeder im Publikum kennt. Der durchschnittliche Zuschauer beendet das Rätselraten meist mit einem Achselzucken und Sich-Fügen ins Schicksal. Die Filmfiguren dürfen auf die Pauke hauen und dem Gang der Zeit manch Schnippchen schlagen. Das tun sie mit Lust. Wofür Snyder eine wahrlich bombastische Bildwelt entworfen hat, die selbst altgediente Actionfans staunen lassen dürfte.
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Der Film beginnt schon düster: gezeigt wird die Geburt des späteren Clark Kent unter seinem Krypton-Namen Kal-El, und das keineswegs als freudiges Ereignis. Schon hier sind Blut, Schweiß und Tränen bestimmend. Und so bleibt’s dann fast zweieinhalb Stunden lang, knackig und kurzweilig serviert. Je länger die Story dauert, umso ausufernder werden die Actionsequenzen, (computer-) tricktechnisch auf höchstem Niveau. Die Inszenierung setzt mehr und mehr auf Monumentaloptik und einen Erzähltakt, in dem im Minutenrausch gehauen und gestochen wird. Zeit zum Denken bleibt dabei kaum für den Betrachter. Drum wird denn auch im Übermaß jede denkbare psychologische Verästelung im Geflecht der Figuren überdeutlich erklärt, dienen Dialoge, insbesondere im zweiten Teil des Films, vor allem dazu, etwa längst schon angedeutete Motive der Handelnden haarklein zu erklären. Sei’s drum. Denn es geht wohl kaum jemand in einen Supermann-Film mit dem Ziel, die grauen Zellen auf Hochtouren zu bringen. Hier soll der Adrenalinpegel aufgepeitscht werden. Das funktioniert.
Die Schlüsselsequenz des Films ist jene, in der überwältigende Mega-Architektur klitzeklein gehauen wird. Die eisigen Bilder von Kameramann Amir Mokri, die irrwitzigen Spezialeffekte, die kreischenden Töne und der Bombast der Filmmusik von Komponist Hans Zimmer verpassen dabei wohl jedem Kinogänger eine Gänsehaut. Die resultiert auch und vor allem daraus, dass Regisseur Snyder eine seiner Spezialitäten zum Einsatz bringt: inmitten aller lauten und grellen Effekte gibt es immer mal eine plötzliche Ruhe, ein Innehalten. Das ist aufwühlender als alles andere.
Supermann-Interpret Henry Cavill hatte seinen ersten Karrierehöhepunkt zwischen 2007 und 2010 als einer der Hauptdarsteller in allen 38 Folgen der englischen TV-Serie „Die Tudors“. Spätestens dort wurde er sicherlich darin geschult, in kürzesten Momenten ein Höchstmaß an Ausdruck zu entwickeln. So gelingt es ihm denn auch scheinbar mühelos, Clark Kent/ Kal-El als Charakter mit starken individuellen Zügen zu gestalten. Er spielt einen jungen Mann, dem seine wahrlich übermenschlichen Kräfte und Fähigkeiten selbst höchst suspekt sind. Dieser Supermann fragt sich immerhin, ob er wirklich richtig und notwendigerweise handelt, wenn er tötet. Klar, dass einem da alles Lachen vergeht und für Humor kein Platz mehr bleibt. Damit bekommt der Film ein wenig mehr Gewicht als im Actionkino üblich. Denn tatsächlich wird die Comic-Figur, wird auch deren Universum, ernsthaft in Frage gestellt. Beachtlich!
Peter Claus
Man of Steel, von Zack Snyder (USA/ Kanada/ Großbritannien 2013)
Bilder: Warner
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