1994 wurde der Film „Il Postino“ zum Vermächtnis des viel zu früh an Herzversagen gestorbenen Schauspielers Massimo Troisi. Nun wird es „Oben ist es still“ für Jeroen Willems. Er spielt Helmer van Wonderen. Der war immer ganz braver Sohn. Jahre lang hat er nicht nur auf dem Bauernhof geschuftet, er hat auch den kranken Vater (Henry Garcin) aufopferungsvoll betreut. Doch eines Tages macht er Schluss damit und versucht, sich zu emanzipieren. Neffe Henk (Martijn Lakemeier) kommt als Knecht auf den Hof. Den drohenden Tod des nicht geliebten Vaters vor Augen, muss sich Helmer nun auch noch Anderem stellen: der Frage, ob er überhaupt fähig ist, eine wirklich intensive Bindung mit einem anderen Menschen einzugehen. Doch das ist leichter gesagt als getan.
Genau davon erzählt Regisseurin Nanouk Leopold in ihrer Romanverfilmung, für die sie wesentlich am Drehbuch mitarbeitete, auf so subtile wie originelle Art. Kitsch bleibt außen vor. Schneller Trost wird verweigert. Der Titel ist böse, er deutet auf die Hoffnung, dass der im ersten Stock liegende Vater nun bitte endlich stirbt. So böse ist der ganze Film, besser gesagt: schonungslos in der Milieu- und Charakterzeichnung. Wozu Kameramann Frank van den Eeden mit eiskühlen Bildern wesentlich beiträgt. Der Film geht durch seine Ehrlichkeit erfreulicherweise weit über Michael Hanekes Mainstream-Altersdrama „Liebe“ hinaus. Hier wird wirklich gezeigt, wie elendig es ist, nur noch auf den Tod hin zu leben, wird nicht verschwiegen, dass das Miteinander von Schwerkranken und pflegenden Angehörigen oft ein Gegeneinander ist, mehr geprägt von Hass und Abscheu denn von Zuneigung. Und dennoch: Jeroen Willems spielt sich in der Rolle des Sohnes in die Herzen der Zuschauer. Denn mit kleinen Gesten bewahrt er die Figur des Helmer im Wahrhaftigen, lässt ihm eine schöne starke Würde. Doch damit entlässt der den Betrachter nicht aus der Verantwortung, sich selbst einzubringen, sich anhand dieses Films zu fragen, wie es um die eigene Menschlichkeit steht. Erst dadurch wird der Film zum Ereignis.
Peter Claus
Oben ist es still, von Nanouk Leopold (Niederlande/ Deutschland 2012)
Bilder: Circe Films (NL)/Isabella Films (NL)
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