RAF & Co. scheinen sich zu Lieblingsthemen deutscher Produzenten und Regisseure zu entwickeln. Nach dem, was da schon so zu sehen war, ist der Eindruck allerdings zwiespältig. Gelungenes („Wer, wenn nicht wir“) steht neben Überflüssigem („Der Baader Meinhof Komplex“). Nun hat sich Nina Grosse als Regisseurin des Themas angenommen. Sie hat es sich nicht einfach gemacht. Bernhard Schlinks Roman ist eine überaus zwiespältige Vorlage.
Großes Manko des Buches: stilistisch und inhaltlich schliddert es zwischen Action, Zeitdokument, Psychothriller und Rachedrama unentschieden hin und her. Ausgelöst wird alles dadurch, dass der RAF-Terrorist Jens Kessler (Sebastian Koch) überraschend aus dem Knast frei kommt. Fast zwanzig Jahre hat er gesessen. Die Freunde von einst haben sich angepasst, sind in der Banalität braver Bürgerlichkeit im Bilderbuchformat gelandet. Schwester Tine (Barbara Auer) und Ex-Geliebte Inga (Katja Riemann), die Mutter von Jens’ Sohn Gregor (Robert Gwisdek), sowie der alte Freund Henner (Sylvester Groth) sind ratlos. Sie wissen nicht, wie sie dem Weggefährten der gern verdrängten Vergangenheit entgegentreten sollen. Er wiederum weiß nicht, wer ihn damals verraten hat. Aber er will es wissen, koste es, was es wolle. Das erste gemeinsame Wochenende wird also von Spannungen, Frage, Zweifeln, auch von Wut und Misstrauen geprägt. Erwartungsgemäß kommt es zum Krach – und zu einem Knall mit ungeahnten Folgen. Die Schatten des Gestern verdunkeln das Heute…
Bernhard Schlink gilt Dank seines Bestsellers „Der Vorleser“ als Hitautor. Ist er wohl auch. Nur eignet sich nun einmal nicht jeder Hit, der zwischen zwei Buchdeckeln nett daher kommt, für einen abendfüllenden Spielfilm, der ein breites Publikum fesselt. Nina Grosse hat das wohl erkannt und klug gestrichen, Figuren rausgeschmissen, ganze Handlungsstränge entfernt. Schlink beispielsweise presst in das dürre Geschehen auch noch eine Auseinandersetzung mit dem Wabern des gedanklichen Nazi-Erbes in Deutschland. Das fehlt nun im Film. Gut so. Es wirkte nur aufgesetzt. Grosse hat kräftig zugepackt. Sie konzentriert sich auf das Bild einer Familie voller Konflikte. Damit haben sicher viele im Zuschauerraum die Chance, sich einzubringen, eigenes Erleben zu reflektieren. Dazu laden auch die wirklich exzellent spielenden Schauspieler ein. Sebastian Koch, Katja Riemann und Barbara Auer verlocken zugleich zu Identifikation und Reibung. Erfreulicherweise agieren sie vehement, drücken jedoch nicht im Übermaß auf die Tube, wirken im Gegenteil oft geradezu unterkühlt. Das sorgt für Spannung. Obwohl in der Vorlage und im Drehbuch oft nur schematisch gezeichnet, werden die Protagonisten durch die Schauspieler zu Menschen von nebenan – so wie die Terroristen in Folge der so genannten „68er“, und wie die, die heute die Welt in Atem halten.
Peter Claus
Das Wochenende, von Nina Grosse (Deutschland 2013)
Bilder: Universum Film
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