Interviewfilme leben von der Offenheit der Gesprächspartner. Die ist hier gegeben. Allerdings: Die Offenheit zielt allein darauf ab, Roman Polański Ehre zu erweisen. Kritische Fragen, gar bohrende, gibt es keine. Der Mann wird gefeiert und feiert sich selbst.
Zweifellos hat der aus Polen stammende Schauspieler, Regisseur und Autor vieles geleistet, das zu feiern ist. Mehr als fünfzig Jahre ist er im Geschäft. Da ist nicht nur Überragendes entstanden, doch vieles, das zu erinnern sich lohnt. Inzwischen 78 Jahre kann Roman Polański zweifellos auf ein so umfangreiches wie wichtiges Werk verweisen.
Die interessanteste Aussage des Film verweist jedoch auf ein Problem: „Ich wäre lieber berühmt für meine Filme als für mein Privatleben.“ – Im September 2009 kam Polański auf dem Flughafen in Zürich auf Grund eines damals bereits vier Jahre alten internationalen Haftersuchens der USA in Gewahrsam. Der Grund: 1977 wurde Polański in Los Angeles wegen Vergewaltigung unter Verwendung betäubender Mittel eines damals 13 Jahre alten Mädchens, Samantha Gailey, angeklagt. Nach Veränderung der Anklage auf den Punkt „außerehelicher Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen“ und allerlei juristischen Winkelzügen drohten dem Künstler 1978 nach relativ kurzer Haft weitere juristische Verfolgungen. Als französischer Staatsbürger zog es Polański vor, nicht mehr in die USA einzureisen. Eine Auslieferung aus Frankreich war nicht möglich. Erst der geplante Besuch beim Zürcher Filmfest gab den US-Behörden die Chance, seiner habhaft zu werden. Nach monatelangem Hausarrest in der Schweiz kam Polański im Sommer 2010 wieder auf freien Fuß. Im Oktober desselben Jahres trat das Opfer Samantha Gailey über den Nachrichtensender CNN an die Öffentlichkeit. Die Frau, die zuvor offiziell in den USA den Antrag gestellt hatte, das Verfahren gegen Polański einzustellen, sagte, dass sie ihn längst als ausreichend bestraft betrachte und sich wünschte, dass die noch bestehende Klage fallen gelassen würde. Der 2008 erschienene Film „Roman Polański: Wanted and Desired“ erläutert die juristischen Zusammenhänge akribisch. Die Dokumentation der Regisseurin Marina Zenovich ist in Deutschland auf DVD zu haben.
Roman Polański: A Film Memoir“ lebt insbesondere von dem während des Hausarrest in seinem Anwesen in Gstaad im April 2010 mit dem Produzenten Andrew Braunsberg, einem langjährigen Freund, aufgezeichneten Gespräch. Das wendet sich der Vergewaltigung und den daraus resultierenden Ereignissen kaum zu. Polańskis an Tragödien reiches Leben, allein mit Blick auf ihn, wird besprochen und bebildert. Interviewer und Regisseur Laurent Bouzereau scheuten wohl den offensiven Umgang mit dem schwerwiegenden Vorwurf, eine junge Frau, eine Jugendliche, missbraucht zu haben. Das gibt dem Film einen unangenehmen Beigeschmack. Es drängt sich das Gefühl auf, der Künstler solle beinahe so etwas wie einen Heiligenschein verpasst bekommen.
Vom Ghetto im polnischen Kraków/ Krakau bis nach Hollywood – so das Motto des Films. Ausschnitte aus seinen Filmen, Bilder aus einem privaten Fotoalbum und Material aus TV-Archiven illustrieren dies. Das Gespräch mit Andrew Braunsberg wird besonders intensiv, wenn es um die Kindheit geht, die Verschleppung der Mutter. Verständlicherweise kommen Polański, wenn er sich in gebrochenem Englisch an all das erinnert, die Tränen. Leider belässt es die Regie hier nicht bei schlichter, würdevoller Distanz. Ausschnitte aus dem Spielfilm „Der Pianist“ (1998), in dem Polański viel Persönliches reflektiert hat, Wochenschausequenzen zum Überfall Deutschlands auf Polen und ein sentimentaler Soundtrack von Komponist Alexandre Desplat bedrängen den Kinobesucher, nehmen einem die Luft zum Atmen und die Zeit zum Denken. Ähnliches passiert später wieder, etwa wenn es um die Ermordung von Polańskis erster Ehefrau Sharon Tate, der Hauptdarstellerin seines Grusicals „Tanz der Vampire“ (1967), geht.
Fazit: ein zu unkritisches und unreflektiertes Gespräch, das auch noch durch ein Zuviel an emotionale aufheizendem „Drumherum“ gestört wird. Man erfährt, dass Roman Polański erfolgreich ist. Man weiß, warum. Man wundert sich, dass er dazu nicht mehr zu bieten hat als seinen Gefallen am eigenen Ruhm.
Peter Claus
Roman Polański – A Film Memoir, von Laurent Bouzereau (England / Deutschland 2011)
Bilder: Eclipse
- „Rosenmontag For Future“ Oder: Lachen schult das freie Denken - 9. Februar 2020
- Thilo Wydra: Hitchcock´s Blondes - 15. Dezember 2019
- Junges Schauspiel am D’haus: „Antigone“ von Sophokles - 10. November 2019
Schreibe einen Kommentar