Die Flut an Koch-Shows im Fernsehen hat einem den Spaß am Wirbeln zwischen Herd und Anrichte in den letzten Jahren ziemlich vermiest. Selbst hartgesottene Pfannen- und Kasserolle-Matadore verspüren wohl nur wenig Lust, ins Kino zu gehen, um nun auch noch dort anderen Leuten beim Bereiten von Braten zuzusehen. Doch: Ist die Hemmschwelle erst einmal überwunden, lädt dieser Film Köche und Nichtköche durchaus herzhaft zum Genießen ein.
Tatsächlich geht es in dieser Komödie aus Frankreich, einer Nation die als führend in Sachen Kochkunst gilt, viel weniger um Virtuosität am Herd als um Lebensfragen, die jeden betreffen. Koch Jacky (Michaël Youn) versteht sich als Künstler. Damit ist er in den preisbewussten kleinen Lokalen, in denen er jobbt, fehl am Platz. Die Gäste haben nämlich absolut gar keinen Sinn dafür, wenn der Fanatiker ihnen zum Beispiel plötzlich den billigen Wein vom Tisch reißt, weil der nicht zum Essen passt, und dann auch noch Vorträge hält. Kein Wunder, dass er sich regelmäßig nach einem neuen Arbeitgeber umsehen muss. Was Freundin Béatrice (Raphaëlle Agogué) nervt. Sie erwartet ein Kind und will Sicherheit. Deshalb verlangt sie von ihrem Liebsten, sich endlich eine Arbeit zu suchen, die er behalten kann. Jacky gibt klein bei und wechselt die Branche. Er jobbt fortan in einem Seniorenheim, weit entfernt von den Verlockungen eines Herdes. Ausgerechnet hier trifft er zufällig den berühmten Koch Alexandre (Jean Reno), sein Vorbild, wenn’s um sautieren, blanchieren und all die anderen anspruchsvollen Tätigkeiten in der Küche geht. Der Star-Koch steckt ebenfalls in einer Krise: Alle Welt schwadroniert von modernen Methoden, wie der Molekularküche und stempelt Alexandre, den Verweigerer allen Schnickschnacks, als überholt ab. Sein Chef (Julien Boisselier) will den gefallenen Star los werden. Klar, wir sind in einer Komödie, dass die zwei Männer in Not zueinander finden.
Regisseur Daniel Cohen nervt nicht mit ausufernden Bildern von großartig angerichteten Köstlichkeiten. Auch der Vorgang des Kochens selbst wird nur am Rande beleuchtet. Er konzentriert sich ganz auf das Miteinander der beiden unglückseligen Träumer und erzählt mit Gespür für Pointen davon, wie sie versuchen, den aufrechten Gang nicht zu verlieren. Dabei, und das gibt der Geschichte eine besondere Würze, werden Jacky und Alexandre nicht zu Helden ohne Fehl und Tadel stilisiert. Die zwei sturen Typen sind nicht nur sympathisch, sondern werden auch in ihrer Engstirnigkeit, ihrer Unfähigkeit, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken, erfasst. Das sorgt für Wahrhaftigkeit der Erzählung. Gelegentlich, leider, wird stilistisch etwas überzogen, kippt die Komödie in die Klamotte bis zur überflüssigen Charleys-Tante-Nummer. Da wäre weniger mehr gewesen. Dass dies nicht nervt, ist neben der ansonsten klugen Inszenierung den Schauspielern zu danken. Sie lassen immer wieder das Tragische, das existentiell Bedrohliche der Situation, durchscheinen und halten die Geschichte so in der Realität. Da finden auch Nicht-Köche viele Parallelen zu eigenem Erleben. So wird der Film denn auch in den besten Momenten zu einem schönen Plädoyer wider eine Kommerzialisierung aller Lebensbereiche und unentwegtes, übersteigertes Profitdenken.
Peter Claus
Kochen ist Chefsache, von Daniel Cohen (Frankreich 2012)
Bilder: Senator
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