Noch ein Schauspielerfilm, noch ein Film mit Ecken und Kanten.
Der Schauspieler: Michael Fassbender, Ire deutscher Abstammung. In gleich fünf Filmen machte er im Vorjahr auf sich aufmerksam und kam endlich zu Star-Ruhm. Fassbender spielt unter der Regie des vor allem als Video- und Fotokünstlers bekannten Steve McQueen einen New Yorker Yuppie, für den Sex der einzige Lebensinhalt ist, sei er real, sei er per Computer ins Haus geholt. Dieser Brandon ist ein total ausgebrannter Typ. Weder kann er sich wirklich seiner psychisch gestörten Schwester (Carey Mulligan) annähern, noch ist er in der Lage, wenn es mal drauf ankommt, wirklich mit einer Frau zu flirten, zu reden, Emotionen zuzulassen.
Fassbender läuft oft nackt durch die Szenerie, doch die Seele des von ihm verkörperten Brandon wird nicht sichtbar. Das liegt am Drehbuch. Über Äußerlichkeiten kommt es nämlich so gut wie nie hinweg. Allein eine Szene lässt ahnen, was für ein Potential in der Geschichte steckt: Brandon verabredet sich in einem Restaurant mit einer Kollegin (Nicole Beharie). Beide haben offenkundig Interesse aneinander. Bei ihr geht das aber über schnellen Sex hinaus. Sie sucht einen Partner, versucht also ganz klassisch den anvisierten Typ durch Gespräche zu erkunden. Doch da gibt es nichts zu erkunden. Weder kann er zuhören, noch hat er etwas zu sagen. Die Kamera beobachtet das nicht zustande kommende Gespräch oft von außen, durch Glasscheiben. Wir, als Zuschauer, müssen die Worte nicht verstehen. Die Körpersprache sagt alles. Das ist hochspannend.
Steve McQueen will vielleicht über die Probleme nachdenken, die eine mehr und mehr alle Sexualität zur Ware degradierende Gesellschaft befallen. Leider bleibt er dabei im Ansatz stecken, so beeindruckend die kalte Ästhetik des Films auch ist. Michael Fassbender hat eine großartige Präsenz. Nur leider darf er viel zu wenig spielen, um einen facettenreichen Charakter zu entwickeln. Der Film macht neugierig auf weitere mit Michael Fassbender. Wenigstens das.
Peter Claus
Shame, von Steve McQueen (England 2011)
Bilder: Fox (Prokino)
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