Behinderte als Komödien-Stars sind en vogue. Da gab es schon einiges Gelungene zu sehen, aber auch Missliches. Also: erstmal ist Skepsis angesagt. Doch der Spielfilm des 26-jährigen Regisseurs Andreas Öhman verscheucht die Skepsis schnell. Ein höchst erstaunlich souveränes Kino-Debüt!
Im Zentrum der Handlung steht Simon, ein junger Mann mit Asperger-Syndrom, einer Form des Autismus. Der 18-Jährige tut sich deshalb zum Beispiel äußerst schwer damit, sich gegenüber anderen Menschen zu öffnen, gar regelmäßige soziale Kontakte aufzubauen. Nur zu seinem Bruder Sam hat er so etwas wie ein Vertrauensverhältnis. Bei dem zieht er denn auch plötzlich ein, als er es im Elternhaus einfach nicht mehr aushält. Sam möchte gern helfen – doch sein eigenes Leben gerät nun aus den Fugen. Die Verantwortung für Simon ist einfach zu viel für ihn, erst recht für seine Freundin. Die Liebe des Paares hält der Belastung nicht stand. Für Sam bricht eine Welt zusammen – und das beschert natürlich auch für Simon, der eine streng geordnete Welt braucht, verdammt viele Probleme. Da fällt er auf der Straße unverhofft einer chaotischen jungen Frau, Jennifer, in die Arme. Oder sie ihm? Simon fragt sich, ob sie nicht ideal als neue Freundin für den Bruder ist. So, meint der Teenager, könne doch alles ganz leicht wieder ins Lot gerückt werden. Doch klar, nun wird’s erst recht turbulent.
Die Szenen wirken oft geradezu impressionistisch, wie hingetupft. Das ist von schöner Leichtigkeit, ohne, dass es seicht wird. Die Figur des Simon wird nicht nur schauspielerisch exzellent porträtiert. Seine Einschränkungen durch das Asperger-Syndrom, er kann beispielsweise nur etwas essen, das rund ist, werden durch grafische Elemente immer wieder geschickt markiert. Die sehr besondere Wahrnehmung dessen, was Durchschnittsmenschen als gewöhnlichen Alltag empfinden, wird dadurch überaus einleuchtend und pointiert vermittelt. Da gibt es viel Witz. Der auch aus der Handlung erwächst, etwa wenn Simon sich aus einer Mülltonne ein Raumschiff bastelt. Da wird’s denn auch mal herrlich-skurril philosophisch, wenn der Außenseiter, der sich selbst als solcher empfindet, das Leben der anderen spiegelt.
Der Film balanciert geschickt zwischen Nachdenklichkeit und durchaus knalligem Humor, der jedoch nie ins Kalauern abgleitet. Über allem liegt eine Frage, die jede und jeden betrifft, egal, ob nun behindert oder nicht: Wie kriege ich meine eigenen Gefühle in den Griff? – Vorschnelle Antworten werden nicht verteilt. Aber es gibt viele Momente in diesem Film, die einen als Zuschauer noch nach dem Kinobesuch lustvoll nach Antworten für sich selbst suchen lassen. Das macht Spaß und schenkt einem einige Einsichten über den Wert des menschlichen Miteinanders, die nicht neu sind, die wir alle aber viel zu oft vergessen.
Peter Claus
Im Weltraum gibt es keine Gefühle, von Anderas Öhmann (Schweden 2010)
Bilder: Arsenal
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