Mal wieder eine Bestseller-Adaption: Der 2008 erschienene Erstling „Die Einsamkeit der Primzahlen“ des italienischen Physikers Paolo Giordano nun also als Rührstück. Wobei der Begriff keineswegs abwertend gemeint ist. Die Ballade von der Unmöglichkeit einer zu starken Liebe rührt einen schlicht und einfach und tatsächlich.
Regisseur Saverio Costanzo gelang eine überzeugende Verwandlung der Vorlage in die Sprache des Kinos. Wie schon in seinem guten Film „Private“ hetzt er das Publikum voller Wucht durch die Hölle des Lebens. Zwei vom Schicksal Gebeutelte stehen im Zentrum: Alice (Arianna Nastro), durch einen vom Vater verschuldeten Unfall hinkend, deshalb von allen verspottet, hat eine Essstörung; der verschlossenen Mattia (Vittorio Lomartire), ein hochbegabter Einzelgänger, leidet offenkundig ebenfalls an sich selbst. Aus einer Zufallsbegegnung in der Jugendzeit wird eine lange Jahre anhaltende Freundschaft. Etwa ein Jahrzehnt später arbeitet Alice (Alba Rohrwacher) als Fotografin und Mattia (Luca Marinelli) ist Doktorand der Physik. Ist es Liebe, was sie einander verbindet? Was eigentlich hat Mattia in seiner Kindheit Schreckliches erlebt, dass er sich keinem anderen Menschen öffnen kann? Die Antworten auf die Fragen sind erschreckend.
Alba Rohrwacher und Luca Marinelli ziehen das Publikum mit energiegeladenen Darstellungen in ihren Bann. Beide lösen mit Bravour die schwierige Aufgabe, zerklüftete Seelenlandschaften sichtbar werden zu lassen. Sie führen die Zuschauer emotional mitreißend durch die mehrere Jahrzehnte umfassende Geschichte. Interessant ist, dass die Regie in einem Punkt von der Vorlage abweicht: es gibt mehr Ironie im Film als im Buch. Das schützt in jedem Fall vor einem Abrutschen in den Kitsch. Freunde der Vorlage könnte das irritieren.
Am Ende steht eine schlichte Erkenntnis: Nächstenliebe ist zwar aus der Mode gekommen, aber sie ist wohl nötiger denn je. Die Geradlinigkeit, mit der der Film die Aussage fällt, mutet im ersten Moment naiv an, dann jedoch mutig. Und man wünscht sich selbst den Mut dazu.
Peter Claus
Die Einsamkeit der Primzahlen, Saverio Costanzo (Italien, Frankreich, Deutschland 2010)
Bilder: NFP
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