Ein Großteil der deutschen Filmkritik schäumt: Nach seinem Hit „Willkommen bei den Sch‘tis“ kassiert Regisseur Dany Boon Prügel. Da wird sogar die Keule geschwungen, diesmal sei er „rassistisch“. Geht’s nicht ‘ne Nummer kleiner? Sicher: die neue Klamotte des Franzosen ist derb, auch mal unter der Gürtellinie angesiedelt, kein Meilenstein feingeistiger Komik. Wie da, so auch hier Drehbuchautor, Regisseur und Darsteller, haut Boon kräftig auf die Pauke.
Die überdrehte Story blickt fast zwei Jahrzehnte zurück: 1993 steht Europa ins Haus. Mathias Ducatel (Dany Boon) ist deshalb verunsichert. Er wohnt in einer Grenzstadt, deren eine Hälfte französisch, deren andere belgisch ist. Viele machen sich Sorgen. Da ist zum Beispiel das Ehepaar, das die Kneipe zwischen hüben und drüben betreibt. Ihr großes Geschäft sind bisher die Menschen, die auf die Abfertigung des Grenzübertritts warten müssen. Und nun? Aber es stehen auch Vorteile an. Mathias zum Beispiel kann seine belgische Geliebte Louise (Julie Bernard) nun viel leichter besuchen. Allerdings gibt es da einen Bruder (Benoît Poelvoorde) der Angebeteten. Und der ist schlimmer als jeder Schlagbaum. Ausgerechnet die zwei Männer sollen nun gemeinsam Dienst schieben…
Ja, es geht auch um Rassismus. Doch nur weil der Film etwa Sprüche zitiert, die noch heute zwischen Franzosen und Belgiern hin- und hergeworfen werden (und die so dumm sind wie die zwischen Sachsen und Preußen und Bayern und Rheinländern!) ist der Film selbst noch lang nicht rassistisch. Boon macht es sich und dem Publikum allerdings nicht so leicht, dass er unentwegt die Blödheit der Sprüche kommentiert oder herausstreicht. Dennoch: Die Lacher gehen eindeutig gegen alles Tumbe. Freilich: die Geschichte spielt nicht wirklich in der Realität, sondern in einer märchenhaft überhöhten Wirklichkeit. Doch wie alle guten Märchen spiegelt er Tatsächliches!
Wie schon bei den „Sch’tis“ will Boon unterhalten und ganz leise, ganz nebenbei für einen freundlichen Umgang miteinander plädieren. Wieder setzt er auf Schalk und Spaß und auch Sentimentalität. Natürlich variiert er sein Erfolgsrezept. Na und?! Er macht das mit so viel Charme und Intelligenz, dass er -x Krachklamotten, vor allem made in USA, um Längen schlägt!
Peter Claus
Nichts zu verzollen, Dany Boon (Frankreich/Belgien 2010)
Bilder: Prokino
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