Rodrigo Garcia erzählt eine atemberaubend spannende Geschichte: eine Mutter versucht nach Jahrzehnten, ihre einst zur Adoption freigegebene Tochter zu finden. Die Geschichte ist deshalb so atemberaubend spannend, weil sie nicht ein einziges Mal ins Sentimentale abrutscht. Garcia, der Sohn des weltberühmten Schriftstellers Gabriel García Márquez, überzeugt auch in seinem vierten Kinofilm durch eine vollkommen ehrlich und aufrichtig anmutende Erzählhaltung.
Karen (Annette Bening) ist die Mutter. Als Halbwüchsige bekam sie ein Kind, eine Tochter. Die hat sie damals auf Drängen ihrer Mutter (Eileen Ryan) zur Adoption freigegeben. Inzwischen arbeitet Karen als Physiotherapeutin in einem Krankenhaus. Abends pflegt sie ihre nun schon alte und hilfsbedürftige Mutter. Und nachts träumt Karen häufig von ihrer Tochter. Nach dem Tod der eigenen Mutter nimmt Karen die Suche nach der Tochter auf. Flankiert wird das von der Geschichte einer erfolgreichen Anwältin (Naomi Watts) und von einem Paar (Kerry Washington, David Ramsey), das gern ein Kind adoptieren möchte.
Die drei Geschichten sind zunächst nur durch die Adoptions-Anlaufstelle in Los Angeles miteinander verbunden. Als Betrachter ahnt man die weiteren Bindeglieder recht schnell. Glaubt man jedenfalls. Mancher kann also am Ende auf Überraschungen gefasst sein! Das aber ist gar nicht wichtig. Entscheidender ist die Dichte der Erzählung, der eine verblüffende emotionale Gewalt innewohnt. Diese Gewalt bringt einen als Betrachter dahin, sich selbst und die eigenen sozialen Kontakte mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Für einen Spielfilm ist das heutzutage recht erstaunlich.
Annette Benings Karen taumelt geradezu durch verschiedene Höhen und Tiefen. Die Schauspielerin offenbart die Verletzlichkeit der Figur mit einer angenehm selbstverständlich anmutenden Darstellung, die nie ins Hysterische geht oder aufgesetzt wirkt. Man schaut dieser Frau ungeheuer gern zu – und folgt ihr gern, wenn sie Antwort auf die Frage sucht, was ein Leben eigentlich als lebenswert erscheinen lässt.
Peter Claus
Mütter und Töchter, Rodrigo García (USA/ Spanien 2009)
Bilder: Universum Film
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