Gewaltexzesse unter Kindern, Jugendkriminalität etc. pp – ob Berlin, Moskau oder Chicago, das Problem ist allgegenwärtig in den Industrienationen. Spielfilme dazu gibt es nicht wie Sand am Meer, aber doch schon einige, manche wirklich guten darunter. Nun also ein Beitrag aus Dänemark. Mit Neuigkeitswert? Nicht, was die Geschichte angeht. Aber die stilistisch stringente Umsetzung fesselt.
Regisseurin Susanne Bier vermeidet konsequent alles, was zu biederem Gutmenschen-Geschwafel führen könnte. Handliche Friede-Freude-Eierkuchen-Symbolik ist ihre Sache nicht. Katastrophe und Katharsis werden von Bier ohne die Möglichkeit der tröstlichen Flucht ins Sentimentale entwickelt. Wobei sie, das ist erfreulich, keine vordergründig-brutalen Szenen braucht. Erzählt wird von zwei Halbwüchsigen, eher Kinder denn Jugendliche: Christian (William Johnk Nielsen) und Elias (Markus Rygaard). Ersterer verkraftet den Krebstod seiner Mutter nicht; Zweiterer leidet unter der Trennung seiner Eltern. Die Beiden finden in der Schule zueinander. Sie werden Freunde, suchen Halt aneinander. Sie finden Wut und Verzweiflung. Daraus erwächst ein Hass auf die Welt an sich. Christian und Elias werfen, weil sie fast nur mit Unmenschlichkeit konfrontiert werden, ihre Menschlichkeit über Bord. Der Anlass ist banal: ein Streit auf einem Spielplatz. Worte führen selbst bei den Erwachsenen nicht zu einer Konfliktlösung. Die Fäuste sprechen. Was die beiden Jungs auf monströse, ja, mörderische Ideen bringt…
Susanne Bier zeigt eines schnell. Nicht alles Fehlverhalten ist mit einer problematischen Kindheit entschuldbar, nicht einmal erklärbar. Und Liebe allein, auch das zeigt sie, kann eben keine Berge versetzen. Da ist zum Beispiel Elias’ Vater, der sich in Afrika als Arzt engagiert. Aber zuhause? – Dieses Fragezeichen wiegt schwer!
Susanne Bier wagt sich zudem an eine DER Fragen: Wie entsteht Gewalt, welches Räderwerk arbeitet so unerbittlich, dass ein Entkommen aus der Maschinerie des Brutalen nahezu unmöglich ist. Antworten liefert sie keine. Plattitüden bleiben aus. Susanne Bier lässt keinen Zweifel daran, dass die Entscheidung für das Verbrechen fast nie mit irgendwelchen Lebensumständen gerechtfertigt werden kann. Jeder ist für sein Tun verantwortlich, so ihre Position. Aber da verwirrt auch so manch üppiges Naturbild. Am Horizont flackert die doch wohl recht zweifelhafte These auf, dass Gewalt naturgegeben, dem Menschen ans sich eigen ist. Neben aller Spannung ist also auch das Angebot für eine Diskussion nach dem Kinobesuch beachtlich!
Peter Claus
In einer besseren Welt, Susanne Bier (Dänemark / Schweden 2010)
Bilder: Universum Film
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