Trash kennt keine klaren Regeln. Dafür aber ein paar wiederkehrende Merkmale und Funktionen. Einer dieser Charakterzüge heißt schonungslose Offenheit, und Olivier Dahans französisches Sequel „Die purpurnen Flüsse 2 – Die Engel der Apokalypse“ meint es bitterernst damit.
Die schöne Tradition, wie bei einem Vorwort mit einem Querschnitt kommender Attraktionen zu beginnen, beseitigt auch hier alle Zweifel. Wer so etwas nicht mag, kann gleich wieder gehen: Nacht – Gewitter – dunkle Mönche im Kreuzgang – Geheimnisse in Kammer 13 – Blut strömt aus dem Kruzifix. Im Zeitraffer schieben sich Wolken vor den Mond einer Twilight-Zone zwischen Gothic, Caspar David Friedrich und Edgar Wallace.
Keine Zeit für Erklärungen. Mit dem nächsten Blitzschlag erscheint auch schon der wortkarge Kommissar Niemans (Jean Reno) aus dem ersten Teil von Die purpurnen Flüsse. Kaum hat er seine Ermittlungen aufgenommen, stürmt ein naher Verwandter des Scream-Schlitzers in Mönchskutte die Szene, um irgendeinen armen Tropf mit Messer und Bolzenschussgerät zu entleiben. Im Gegenzug gerät Niemans‘ künftiger Kollege Reda (Benoît Magimel) an eine Namenlose im Negligee und daraufhin in eine heillose Hauerei. Knapp zehn Minuten vorbei, und alle Karten liegen auf dem Tisch bereit zum Grand Ouvert.
Irgendwie geht es um wild gewordene Gruselmönche, um ein sakrales Geheimnis im Klosterkeller, das Niemans, Reda und eine junge „Spezialistin für Religionsgeschichte“ (Camille Natta) lüften werden. So schnell und gedankenlos reiht sich ein Leichenfund an die nächste Regennacht, dass Die Engel der Apokalypse auch ein zweites Trash-Merkmal ausstellt. So wie Trash in seiner Vereinnahmung beliebter Attraktionen oft als Spiegel der zeitgenössischen Popkultur fungiert, ist hier so ziemlich alles haschiert, was die letzten Jahre an Action, Thrill oder Mystery hervorgebracht haben.
Wäre das Skript nicht vom angestrengten Luc Besson, könnte man meinen, dieser Film wolle am Ende zum Preis der eigenen Lächerlichkeit genau davon erzählen. Denn dann wird der Herr der Ringe- und Star Wars-Bariton Christopher Lee als sinistrer deutscher „Minister für kulturelle und religiöse Angelegenheiten“ aktiv und verkündet gewohnt sonor: „Ein neues Europa ist auf dem Vormarsch!“ Saruman und Count Dooku sind in Euroland angekommen.
Autor: Jan Distelmeyer
Diese Kritik ist zuerst erschienen in der: taz 03/ 04
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