Um den Verstand gebombt
Tim Burton wütet auf dem „Planet der Affen“ – gegen den Geist der Vorlage
Am Ende steht der Astronaut Taylor, letzter Vertreter einer uns ähnlichen Menschheit, vor den Trümmern seiner Vergangenheit. Bewaffnete Affen sind ihm auf den Fersen, als er das Geheimnis des Planeten entdeckt, auf dem er vor einiger Zeit notlanden musste. Die verwitterte Spitze der New Yorker Freiheitsstatue ragt aus der Wüste dieser Welt, die von hoch entwickelten Affen beherrscht wird und die für den Erdling „das Fremde“ an sich bedeutet. In diesem Augenblick weiß er, dass er eine Zeitreise hinter sich hat und der bedrohliche Planet nichts anderes ist als seine Heimat nach der atomaren Katastrophe. „Ihr Wahnsinnigen!“, schreit er, „ihr habt die Erde in die Luft gesprengt. Ich verfluche euch alle!“ Damit ist die Menschheit vor der Katastrophe gemeint, der Fluch gilt uns.
Das wird nicht wieder vorkommen. Keine Angst, der neue Planet der Affen ist kein reines Remake des berühmten gleichnamigen Films von 1968 – schon aus dramaturgischen Gründen. Der Clou des Originals hatte gerade darin bestanden, zum Schluss die wahre Identität des Affenplaneten zu enthüllen. Die ist nun zu bekannt, um daraus noch einmal Spannungskapital zu schlagen. Dafür hat eine Saga gesorgt, zu der neben Franklin J. Schaffners Planet der Affen (1968) noch vier Kinofortsetzungen (1970-1973), zwei Fernsehserien (1974 & 1975), zwei Fernsehfilme (1981 & 1998) und jede Menge Comics gehören. Anders gesagt: Wenn sich mittlerweile selbst Die Simpsons in mehreren Folgen über das ehemals beängstigende Ende des Planeten der Affen lustig machen, dann muss für die Kinowiedergeburt ein neuer Schluss her.
Also hatten die Verantwortlichen um Regisseur Tim Burton bereits vor Monaten verkündet, der neue Film biete eine andere Auflösung. Mark Wahlberg wird als Astronaut Davidson nicht das gleiche Schicksal erleiden wie einst Charlton Heston als Taylor, womit sich Burtons Film in ein interessantes Spannungsverhältnis zu dem von Schaffner begibt: Ich bin anders, sagt das Remake. Ganz wie Taylor und Davidson können wir uns also auf die Inspektion dieses Planeten der Affen machen, um herauszufinden, was an ihm so anders ist. Zur Orientierung dienen die Wiedererkennungswerte: Auch diesmal findet sich ein notgelandeter, weißer Raumfahrer (Mark Wahlberg) auf einem Planeten wieder, der von sprechenden Affen beherrscht wird. Die hegemonialen Verhältnisse haben sich umgekehrt: Menschen werden hier wie Tiere gefangen, unterjocht und wahlweise als Haustiere, Spielzeug oder Sklaven gehalten. Der gestrandete Astronaut findet für seinen Widerstand gegen die animalische Despotie und seine Flucht schließlich Verbündete unter den Affen. Dabei setzt sich vor allem eine Affenfrau für die Rechte des Menschenmannes ein.
Schaffners Film hatte aus diesem Grundgerüst eine reichlich düstere, zivilisationskritische Parabel gemacht, verflochten mit vielfältigen politischen Diskursen der späten Sechziger. Fragen nach dem zeitgenössischen Rassismus, die Präsenz der Civil Rights Movement, die Angst vor dem nuklearen Doomsday sowie die Fragwürdigkeit des Krieges in Vietnam wurden anhand des Planeten der Affen und der Nachfolgefilme fühl- und diskutierbar. Ethische Fragestellungen nach dem Umgang mit allem, was als „das Andere“ stigmatisiert wird, drängten sich anhand der Menschenversuche auf, die Schaffners Affen zu Forschungszwecken und Machterhalt durchführen. Auch das Verhältnis von Aufklärung, Darwins Evolutionstheorie und christlichen Fundamentalisten in der US-Gesellschaft schimmerte als Thema durch: Die menschenfreundlichen Affenwissenschaftler Dr. Zira und Dr. Cornelius untersuchten die vom herrschenden Ältesten Rat verbotene These, der Affe stamme vom Menschen ab.
Die Attraktion vor allem der ersten drei Filme um den Planeten der Affen lag daher nur zum Teil in der Faszination des Monströsen, im Schauwert der aufwendigen Affenkostüme. Ebenso wichtig war offenbar die umfassende, wenn auch bisweilen aufdringliche Verzahnung mit politischen Phänomenen, die grundlegend mit der Frage nach der Definition des Monströsen verbunden war. Das Publikum konnte sich sowohl mit Taylor als auch mit den Aufklärer-Affen Zira und Cornelius identifizieren – das Grauen lag in den Herrschaftsverhältnissen. „Das Problem für uns Intellektuelle ist“, sagte Cornelius einmal, „wir haben zwar Verantwortung, aber keine Macht!“
Dass und wie ein solcher Satz in Tim Burtons Planet der Affen unmöglich wird, ist wichtig für das Verhältnis zu seinem entfernten Vorbild. Die Konzentration auf die Affenwelt ist nun in erster Linie eine äußerliche. Mit viel Aufwand wurden die Masken perfektioniert (sodass Tim Roth als herrschsüchtiger General Thade prompt nicht zu erkennen ist). Die Affen springen weit, verfallen leicht in Grunzen und Getrommel, besitzen abnorme Körperkraft, und ihre Uniformen erinnern hübsch an eine Mischung aus japanischen Soldaten des 16. Jahrhunderts und Gary Oldmans Rüstung aus Bram Stoker’s Dracula. Die Konflikte innerhalb der Affengesellschaft – bei Schaffner noch ein Dreiklassensystem aus Orang-Utans, Schimpansen und Gorillas – sind auf ein Minimum reduziert. Wissenschaft und höhere Technologie gibt es diesmal nicht. Stattdessen bilden „die Affen“ eine zutiefst archaische und tendenziell homogene Einheit, aus der nur die Schimpansin Ari (Helena Bonham Carter) als Rebellin heraussticht.
Die kulturellen Differenzen aus Schaffners Film werden auf die Ausnahmefigur der mitfühlenden Frau reduziert. Und genau diese Verlagerung von Gesellschaft auf Individualität, von Komplexität auf Einfachheit, dominiert Burtons Planet der Affen. Selbst das Geheimnis um die Existenz des mysteriösen Planeten führt diesmal nicht zu einer Verfehlung der Menschheit oder der Mächtigen zurück, sondern zum Fehler eines Einzelnen. Mark Wahlberg geht entsprechend unberührt durch sein Abenteuer, der Zweifel ist seine Sache nicht, weil die Spiegelfunktion der Affenkultur fehlt. Der Affe bleibt „das Andere“, dem der zivilisierte und bewaffnete Mensch – das ist der Höhepunkt der Rückstufung durch Differenz – allemal überlegen ist.
In diesem Sinne verdreht Tim Burtons Planet der Affen fast alle selbst- und kulturkritischen Momente der alten Filme in ihr Gegenteil: Vorgegebene Gegensätze werden weniger erschüttert als bestätigt, Technologie ist ein Segen und die Bombe keine Bedrohung mehr. Im Gegenteil ist es hier die Schusswaffe, die den Menschen über den Affen erhebt, und eine Bombe hilft den finalen Kampf Mensch gegen Affe zu entscheiden, damit am Ende Frieden kommt. So wirkt selbst das verstörende Schlussbild des Films, das im direkten Rückgriff auf die Romanvorlage von Pierre Boulle die Heimkehr des erfolgreich geflohenen Mark Wahlberg zeigt, eher wie ein Zitat von Verstörung – oder wie ein Versprechen auf einen zweiten Teil.
Der Verlust des verunsichernden, kulturkritischen Potenzials, oder besser: die Umkehrung der früheren Fragen in affirmativen Schauwert, stereotype Antworten und das restaurative Vertrauen auf Fortschritt-durch-Technologie tragen darum viel zur Verödung des Burton-Films bei. Anders ist dieser Planet der Affen also, weil er reaktionär ist – jedenfalls im Verhältnis zum Original. Insofern passt er ebenso gut in das aktuelle Hollywood, wie Schaffners Film ein Ausdruck seiner Zeit gewesen ist.
Autor: Jan Distelmeyer
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Die Zeit 36/2001
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