Johan Kramers Film über eine Begegnung notorischer Verlierer
Die feine Idee zum Film bildet zugleich den Beginn des Films auf der Leinwand. Frustriert nach Hollands tragischem Scheitern bei der WM-Qualifikation 2002, entwickelte der Filmemacher Johan Kramer das Konzept für ein Gegenfinale, in dem – zeitgleich mit dem WM-Endspiel in Tokio – die beiden schlechtesten Mitgliedsstaaten der FIFA gegeneinander antreten sollten: Die karibische Insel Montserrat und das im östlichen Himalaya gelegene Königreich Buthan sind die Anwärter auf den letzten Platz.
Kramer schickte Faxe an die beiden Kandidaten; auf der Leinwand machen sich zwei Fußbälle als lederne Marschflugkörper, wie von Roberto Carlos abgefeuert, auf zu den entgegengesetzten Enden der Fußballwelt. Sie hoppeln bald über Vulkangestein auf der englischen Kronkolonie in der Karibik herum, kullern verträumt an Tempeln vorbei und durch die Bergdörfer Buthans. Das ist die Gelegenheit, ein wenig über die zwei Kleinstaaten zu erfahren, auch wenn das nicht viel mehr bringt als einen smart gefilmten und geschnittenen Kurz-Check eines möglichen Urlaubsziels. Allerdings mit deutlich mehr Humor.
Egal, es geht schließlich um Fußball, und natürlich haben beide Teams große Lust, an diesem Kontrastfinale teilzunehmen. Qualifiziert haben sie sich durch die höchsten Niederlagen – 0:11 bei Montserrat, 0:20 bei Buthan. Und weil schon die Beschaffung von Spielgeräten sowie einigermaßen vertretbare Platzverhältnisse Herausforderungen für die Finalisten darstellen, erzählt The Other Final als Countdown vor allem von den Vorbereitungen zum großen kleinen Endspiel in Buthan. Von den Berufen der Amateurfußballer, von den winzig kleinen Fußballverbänden, von den Problemen der Anreise der Montserrater nach Buthan, von den politischen Wünschen. Lyonpo Jigme Y. Thinley, Bhutans fußballbegeisterter Außenminister, spricht von der „Möglichkeit zu sozialer Interaktion“, von „Frieden, Harmonie und Verständnis“ – dass man sich durch den Fußball „mit etwas identifizieren kann, das auch einem anderen Land wichtig ist“.
Bis zum Ende bastelt The Other Final an einer One-World-Romantik, die in diesen Tagen Ende Juni 2002 in Buthan auch sicher spürbar gewesen ist. Nichts trübt die Freude am Fest, man nähert sich an, am Ende wird der Siegespokal brüderlich geteilt werden. Die Fax-Fußbälle tanzen selig mit.
Und das Fußballspiel? Das größte Versäumnis dieses Films, der so glaubhaft und witzig die Liebe zum Fußball beschwört, besteht darin, den Sport selbst fast auszublenden. Sogar vom Finale bekommen wir zu wenig zu sehen, um die Teams wirklich kennen zu lernen. Wo liegen denn die (zumindest fußballerischen) Unterschiede zwischen Montserrat und Buthan? Es scheint fast, als dürfe es Differenzen im „Eine-Welt“-Taumel nicht einmal auf dem Fußballplatz geben, wo doch gerade unterschiedliche Spielsysteme und -kulturen den Reiz ausmachen.
Überhaupt nur zwei Spieler, natürlich die Kapitäne, bekommen Raum, mehr von sich zu erzählen – doch wie sie spielen, was sie auf dem Platz auszeichnet, ist nicht zu sehen. Auch das gehört zum vereinenden Konzept dieses Films: Die Spieler verlieren ihre Identität als Fußballer zu Gunsten von „Frieden, Harmonie und Verständnis“.
Der Filmemacher Johan Kramer ließ die schlechtesten Mannschaften der FIFA 2002 zu einem WM-Gegenfinale antreten. So gut die Idee ist und so humorvoll der Countdown zum Finale in Buthan abläuft – am Ende müssen Fußball und Spieler sich der Beschwörung einer „Eine-Welt“-Romantik unterordnen.
Autor: Jan Distelmeyer
Dieser Text ist zuerst erschienen in: epd film 05/ 04
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