Männer suchen ein Zuhause
Simon Verhoevens Film „Männerherzen“ richtet sich gegen Schwule und Frauen und erinnert in seiner altbackenen Machart verdächtig an den „Bewegten Mann“
Sie sind zwischen 30 und 40 Jahre alt, sie leben in Berlin und gehen dort mehr schlecht als recht ihrem Leben nach: Jerome, Niklas, Philip, Günther, Roland. Der hyperaggressive Knasti, der erfolgreiche Jungmanager, der ewige Student, der Bürokrat, der sexy Musikproduzent: so verschieden die fünf gestrickt sein mögen, zwei Dinge einen die Jungs im fortgeschrittenen Alter: das Fitness-Studio und die Suche nach einem Zuhause.
„Männerherzen“ von Simon Verhoeven ist eine deutsche Komödie. Es soll die oft erzählte Identitätskrise des westlichen Mannes möglichst lustig dargebracht werden, was im Fall von Günther (Christian Ulmen) sogar gelingt. Handwerklich ist der Film passabel. Das Schauspiel hat sich in der letzten Dekade professionalisiert, und die Dialoge sind meist nur belanglos oder reaktionär, aber nicht peinlich. Der Schnitt orientiert sich an Musikvideos und Vorabendserien wie Berlin, Berlin.
Bemerkenswert an dem Film sind seine Homophobie und seine Frauenfeindlichkeit. Die Schwulenfeindlichkeit bei „Männerherzen“ erinnert an diejenige aus „Der bewegte Mann“. Wieder kann sich Til Schweiger alias Musikproduzent Jerome schwuler Avancen kaum erwehren. Wieder ist der Superbody emotional so unreif, dass es einer überzeichneten Schwuchtel bedarf, um seinen weichen Kern freizulegen. Also zieht Bruce, ein Schnulzensänger (Justus von Dohnanyi), ungebeten bei Jerome ein, die beiden müssen an seinem neuen Album arbeiten. Als Jerome eines Tages ohne Bunny ins Bett geht, legt sich Bruce zu ihm. Selbstredend wird der stets geile schwule Mann in seine Grenzen verwiesen – dieser Akt verleiht dem Hetero die Souveränität, die er in seiner Krisenhaftigkeit vermissen ließ. So wird die für die Vormachtstellung der Heterosexualität notwendige und bis dahin spaßeshalber angekratzte Hierarchie wieder hergestellt: Der emotional vergletscherte Heteromann empfindet Mitgefühl mit dem gefühligen Schwulen – und entdeckt darüber, welche Frau er eigentlich im Herzen wiegt. Eine Männerfreundschaft mit fester Rangordnung beginnt: Hetero oben, Schwuler unten.
Damit zur Misogynie: Auch die Figur der geliebten Frau dient dem verunsicherten Mann ausschließlich als Vehikel. Dabei sind sämtliche Damen, die zur Wahl stehen, Traumfrauen. Tolle Figuren, interessante Gesichter, finanziell unabhängig, auf ihre Weise cool und doch immer liebenswürdig, nie launisch oder hilfebedürftig, gefestigte Charaktere. Märchenhaft. So sehr die Jungs zwischen Freiheitswunsch und fester Beziehung schwanken, so fraglos verfolgen die Herzensdamen ihr Ziel: Sie wollen ihn, und sie wollen die Familie.
„Männerherzen“ macht eine krasse Geschlechterdifferenz auf: schwache Männer hier, starke Frauen da. Dass das nicht gut zusammenpasst, ahnt man von Beginn an. Folgerichtig wird am Ende die weibliche Überlegenheit brachial zerstört. Ihr Zusammenbruch initiiert den unreifen Single zum verantwortungsbewussten Familienvater. Kein anderer als der testosterongesteuerte Musikproduzent fährt die supertoughe und schwangere Nina (Jana Pallaske) mit seinem Sportwagen über den Haufen. Und noch während sie niedergemäht wird, versichert Philip ihrem Anrufbeantworter seine Liebe. Alles ändere sich nun, versprochen. Im Krankenhaus dann tritt er auf den zerknirschten Jerome. Als klar ist, dass Mutter und Kind wohlauf sind, versöhnen sich zunächst die beiden Männer. Dann kann er auch bei seiner Zukünftigen seinen Mann stehen. Nina und ihre Freundinnen macht es glücklich, den schwächelnden Durchschnittsmann in seiner Rolle zu bestärken, ihn schließlich in der Position des Mann-Mannes erleben zu dürfen. Dafür ordnen sie sich gerne unter.
Darin sind sich in der deutschen Komödie alle einig: Der Heteromann muss in seiner gesellschaftlich zentralen Stellung gestützt werden. Nur dann kommt die Welt wieder in Ordnung. Etwas anderes mag sich keine der Figuren vorstellen. Glasklar zeichnet „Männerherzen“ die Familie der Zukunft: Doppelverdiener mit Kind. Dabei ist es nicht an der Frau, Ansprüche zu stellen. Ihre Unabhängigkeit hat den Mann genug verunsichert und verletzt. Also gleicht die zeitgemäße Frau die Schwächen ihres Geliebten aus, ohne dass dieser es bemerkt. Der einzige Unterschied zum 19. Jahrhundert: Da sie arbeitet, kann sie ab und an ein Zeichen setzen. Die Erzählung vom Mann in der Krise exponiert auch im Fall von „Männerherzen“ die Schwäche der männlichen und nichtschwulen Protagonisten, um die Zuschauer unter der Hand auf den kollektiven Gehorsam einzuschwören: Eure Liebe und eure Aufmerksamkeit steht dem ganz normalen Mann zu. Und der ist nun mal ein ganz normaler Trottel.
Ines Kappert
Text zuerst erschienen in: Freitag (07.10.2009)
Bilder: Warner
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20. Juli 2011 um 12:19 Uhr
Es ist traurig, mit was für feministischen Uralt-Reflexen hier eine so charmante und besondere Komödie wie „Männerherzen“ niedergemacht wird. Nicht die Komödie ist altbacken, sondern die hysterischen Überinterpretation, mit der der Film hier völlig zu Unrecht in eine homophobe Ecke gestellt wird.
Zunächst mal: Die tragisch / komische Figur des Bruce Berger, für die Justus von Dohanyi übrigens mit dem höchsten deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde, ist nicht schwul, sondern bisexuell, wie Bruce selbst sagt. Das allein aber ist nicht das hauptsächliche Merkmal, mit der die Figur charakterisiert wird, Bruce ist eine vielschichtige, einsame, liebenswerte, emotionale Figur, die einen echten Freund sucht und in Til Schweiger schliesslich findet. Das ist die Geschichte dieser beiden, eine Geschichte von Freundschaft, die sexuelle Komponente wird von der Autorin betont, nicht vom Film. Die angesprochene Szene, in der Bruce und Til nebeneinander im Bett liegen, zeigt Bruce nicht als „stets geilen Mann“ , sondern als einsamen Mann, der keinen Sex will, sondern nicht alleine schlafen kann, weil er Albträume hat. Die Klischees also stammen nicht aus dem Film, sondern aus dem Kopf der Autorin. Das gleiche gilt für die Frau als Feindbild. Man muss schon sehr verkopfte, verquaste Gedankengänge verfolgen, um dieser leichten, charmanten Komödie Frauenfeindlichkeit zu unterstellen. Die Frauenfiguren in diesem Film sind vielseitig, sie wollen keineswegs alle eine Beziehung, sie sind keineswegs alle auf einen Mann angewiesen und doch haben manche von Ihnen auch die Familie als Wert. Ist das schon schlimm? Ist das schon frauenfeindlich? Was genau hätte sich Frau Kappert vorgestellt? Lesben? Feministische Aktivistinnen? Sie beschreibt die Frauenfiguren als unabhängig, und findet das gleichzeitig kritikwürdig. Wäre „abhängig“ besser gewesen? Ich – als Frau – werde den Verdacht nicht los, dass – egal, welche Frauenbilder Männerherzen entworfen hätte – Frau Kappert hätte IMMER ein Problem damit gehabt. Ihr fehlt schlichtweg der Humor, die Leichtigkeit, das Augenzwinkern, von dem dieser Film zum Glück mehr als genug hat. Wie sie ja auch offen schreibt, hat sich Frau Kappert schon alleine davon gestört gefühlt, dass die Schauspielerinnen allesamt “ attraktiv“ sind. IN jedem französischen oder italienischen Film wäre das selbstverständlich, nur in Deutschland gibt es tatsächlich noch Rezensenten, die beim Anblick schöner deutscher Schauspielerinnen sofort verkrampfen. Zum Glück gibt es in diesem Lande mehr als genug Frauen, die sich nicht sofort von einer harmlosen, witzigen Komödie sofort in ihrer Identität und Wertigkeit bedroht fühlen, eine etwas gelassenere Einstellung zum Leben haben und Komödien nicht mit solchen altbackenen, unangebracht politischen, Alt 68er Interpretationsmustern überziehen. Da trifft es hier einfach den falschen Film.